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Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

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Diese Sichtweise reformuliert auch das mo<strong>der</strong>ne Zeitverständnis, das sowohl im Sinne<br />

eines irreversiblen-linear fortschreitenden Geschehens mit tyrannisch-sinnlosen<br />

Zügen bestimmt als auch als plural-ungleichzeitiges Geschehen von sozialer Zeit mit<br />

solipsistischem Charakter wahrgenommen werden kann. 2074 Indem aber eschatologisches<br />

Denken die Diskontinuität zwischen Mensch und Gott thematisiert, kann dieses<br />

den Menschen in Fragen seines Zeitverständnisses entlasten, wird doch auf diese Weise<br />

ersichtlich, daß des Menschen Zeit nur ein relativer Charakter zukommt. 2075 Seinen<br />

prägenden Charakter bekommt die Zeit vielmehr durch die Zeitunterbrechung durch<br />

Gott: "Die hier vorgelegte Eschatologie geht...von einem Begriff <strong>der</strong> Zukunft aus, <strong>der</strong><br />

es we<strong>der</strong> erlaubt, daß die "weiterlaufende" Geschichte jede Eschatologie verschlingt,<br />

noch daß die stets gegenwärtige Ewigkeit jede Geschichte aufhebt. Das "Eschaton" ist<br />

we<strong>der</strong> das Futur <strong>der</strong> Zeit noch die zeitlose Ewigkeit, son<strong>der</strong>n die Zu-kunft und An-kunft<br />

Gottes. Wir verwenden dafür einen adventlichen Begriff <strong>der</strong> Zukunft. Er entspringt aus<br />

<strong>der</strong> Gottesgeschichte, den Erfahrungen und Erwartungen Gottes, wie sie in den biblischen<br />

Schriften berichtet werden. Wir entfalten ihn philosophisch in einem Zeitverständnis,<br />

das die Zukunft als Ursprung und Quelle von Zeit überhaupt auffaßt." 2076 Wird<br />

aber Gott und seine Zu-kunft als Maß für das Zeitverständnis gesetzt, dann verlieren<br />

auch die Zeitmodi Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ihren statischabgeschlossenen<br />

Charakter und werden auf diese Weise "beweglich". Am deutlichsten<br />

muß das für den Zeitmodus <strong>der</strong> Vergangenheit festgestellt werden, denn - theologisch<br />

gesehen - kann es Vergangenheit in einem endgültig abgeschlossenen Sinn nicht geben,<br />

an<strong>der</strong>nfalls würde Gott seine Ungleichzeitigkeit zur Zeit verlieren. Aber auch aus anthropologischer<br />

Perspektive ist es nicht möglich, eine gänzliche Abgeschlossenheit <strong>der</strong><br />

Vergangenheit zu behaupten, setzt dies doch voraus, daß <strong>der</strong> Mensch fähig wäre, sich<br />

des Ganzen <strong>der</strong> vergangenen Zeit und <strong>der</strong> Geschichte zu bemächtigen, was aber auf-<br />

daß zwischen dem Willen des dreieinigen Gottes und <strong>der</strong> Liebe des trinitarischen Gottes kein<br />

Hiatus im Sinne des deus absconditus gedacht werden kann. Dies wäre dann gegeben, wenn<br />

Wille Gottes und Liebe Gottes als amor benevolentiae in einem univoken Sinne verstanden<br />

werden würden, vgl. hierzu unten 7.2., wo diesem Sachverhalt unter <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Allmacht<br />

Gottes nachgegangen wird.<br />

2074 Vgl. Whitrow, Zeit, 250: "In dieser...Hinsicht haben sich die meisten von uns in zunehmendem<br />

Maße <strong>der</strong> Tyrannei <strong>der</strong> Zeit unterworfen. ...Die Uhr...ist die maßgebende Maschine für das<br />

Industriezeitalter." Und weiter stellt er zu Recht fest: "Die mo<strong>der</strong>ne Industriegesellschaft hängt in<br />

einem Maße von <strong>der</strong> Zeit ab, wie dies in keiner an<strong>der</strong>en früheren Zivilisation...<strong>der</strong> Fall war"<br />

(ebd., 277). Darum verweist Gruber, Gott, 138, auf die Chronokratie als neuen Form <strong>der</strong> Zeitgestaltung<br />

<strong>der</strong> Gegenwart: "In dieser neuen Herrschaftsform "scheint die angestrebte Selbstmächtigkeit<br />

<strong>der</strong> Menschheit ihre alles entscheidende Erfüllung zu finden. Erst wer Zeit wirklich hat,<br />

kann sich Herr und Meister <strong>der</strong> Natur nennen."<br />

2075 Vgl. Gruber, Gott, 21.<br />

2076 Moltmann, Kommen, 39.<br />

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