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Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

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Zusammenfassend aber kann man feststellen, daß die drei aufgezeigten Gründe, also<br />

die zunehmende Abhängigkeit des einzelnen sowie <strong>der</strong> Gesellschaft von <strong>der</strong> wissenschaftlich-technischen<br />

Entwicklung, mit <strong>der</strong> Konsequenz <strong>der</strong> Unterminierung <strong>der</strong> Autonomie<br />

des Individuums, dann die Nutzung <strong>der</strong> Technik als Mittel <strong>der</strong> Unterdrückung<br />

und Bedrohung im weltweiten Maßstab, und schließlich <strong>der</strong> Zweifel an <strong>der</strong> Fähigkeit<br />

des Menschen an einer individuellen o<strong>der</strong> gesellschaftlichen Verantwortungsübernahme<br />

für die Folgen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, den antiutopischen Realismus<br />

des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts als dialektischen Umschlag von <strong>der</strong> positiven zur schwarzen<br />

<strong>Utopie</strong> maßgebend bewirkt haben. Zugleich aber bilden diese drei Faktoren das<br />

eigentliche Kernstück <strong>der</strong> schwarzen <strong>Utopie</strong>n von Samjatins "Wir", Huxleys "Schöne<br />

neue Welt" und Orwells "1984". 518 Die Entzauberung des utopischen Ideals von seinem<br />

Anfang bei de Sade wurde über die Möglichkeit einer autonom-formalistischen Vernunftskonzeption<br />

Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts durch die Autoren Samjatin, Huxley und<br />

Orwell zum Abschluß gebracht.<br />

2.7.1 <strong>Der</strong> antiutopische Realismus von Samjatins "Wir", Huxleys<br />

"Schöne neue Welt" und Orwells "1984" im Überblick<br />

Die antiutopischen Autoren entwarfen ihre Romane unter <strong>der</strong> Maßgabe <strong>der</strong> Dialektik<br />

<strong>der</strong> utopischen Vernunft, um auf die Gefahren einer fortschreitenden Technisierung und<br />

Entmenschlichung <strong>der</strong> Gesellschaft durch einen allmächtigen Staat aufmerksam zu<br />

machen.<br />

Samjatin schil<strong>der</strong>t in seinem Roman "Wir" aus dem Jahre 1920 einen durch und<br />

durch organisierten Staat, in welchem die Menschen aller Individualität beraubt sind.<br />

Äußeres Kennzeichen hiervon ist die Namenslosigkeit <strong>der</strong> Menschen vor Ort, allein<br />

durch Nummern wird <strong>der</strong>en Identifikation gewährleistet. Dieser äußerlichen Konformität<br />

soll auch die geistige Verfassung <strong>der</strong> Bürger entsprechen, weswegen <strong>der</strong> Staat alles<br />

unternimmt, um die Entstehung eines autonomen Ich-Bewußtseins zu unterbinden. Aus<br />

Vernunftsgründen entschließt sich <strong>der</strong> Staat, die Phantasie und die "Krankheit Seele"<br />

durch eine allgemein verpflichtende Gehirnoperation bei allen Bewohnern zu eliminieren.<br />

Denn allein dadurch könne die staatliche Ordnung sinnvoll, d.h. zum Wohle des<br />

Gemeinwesen aufrechterhalten werden. <strong>Der</strong> Held des Romans, einer <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Ingenieure des Staates und Konstrukteur des Raketenflugzeugs Integral, mit <strong>der</strong> Kennziffer<br />

D-503, beobachtet bei sich das Entstehen <strong>der</strong> "Krankheit Seele" und ist fortan<br />

hin- und hergerissen zwischen gesellschaftlicher Konformität und autonomer Individualität.<br />

<strong>Der</strong> Staat aber, repräsentiert durch den allmächtigen "Wohltäter", wacht streng<br />

über die Einhaltung <strong>der</strong> gesellschaftsverpflichtenden Konformität. Dies gelingt ihm<br />

518So mit Saage, <strong>Utopie</strong>n, 269.<br />

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