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Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

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86<br />

bis zum Ende <strong>der</strong> Welt. 310 Generell kann gesagt werden, daß die Zukunft und mit ihr<br />

das einst eintretende Ende <strong>der</strong> Welt durch die Kirche konstitutiv in das Zeitverständnis<br />

eingeschlossen wurde, die eschatologische Zukunft liegt damit nicht mehr in einem<br />

teleologisch-linearen Sinn am Ende <strong>der</strong> Zeit, son<strong>der</strong>n es ist in <strong>der</strong> Kirche selbst schon<br />

immer aufgehoben. Deswegen ist die Geschichte <strong>der</strong> Kirche auch die Geschichte des<br />

Heils. 311<br />

Mit <strong>der</strong> Reformation aber wurde diese Tradition erheblich modifiziert. Denn we<strong>der</strong><br />

die Kirche noch die weltlichen Mächte waren in <strong>der</strong> Lage, die ungeahnten Kräfte zu<br />

bändigen, die Luther, Zwingli und Calvin in <strong>der</strong> Welt Europas entfachten. Die Folge<br />

war, daß die Ordnung und die Einheit <strong>der</strong> Kirche zerbrochen wurden. Luther selbst<br />

nahm wohl diese damit verbundene immense Spannung wahr, die sich aus den geschichtlichen<br />

Ereignissen jener Tage ergaben, und suchte seinerseits ein Modell von<br />

Kirche und Geschichte zu entwickeln, das die Ordnung und die Einheit <strong>der</strong> Kirche<br />

bewahren bzw. wie<strong>der</strong> herzustellen vermochte. Zwei Gesichtspunkte kamen dabei zum<br />

Tragen:<br />

Zum einen zeigte Luther seit den dreißiger Jahren des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts ein reges Interesse<br />

an historischen Stoffen, vor allen aber an <strong>der</strong> Papst- und Konzilsgeschichte. 312<br />

Im Laufe seiner Überlegungen führte er 1541 die Unterscheidung von <strong>der</strong> "alten, rechten<br />

Kirche" und <strong>der</strong> "neuen, falschen Kirche" ein. "Luther will beweisen, daß die evangelischen<br />

Gemeinden <strong>der</strong> Reformation anhand <strong>der</strong> Merkzeichen <strong>der</strong> Kirche als die<br />

"alte, rechte Kirche" mit <strong>der</strong> ursprünglichen Reinheit des Evangeliums zu erkennen<br />

sind, obwohl sie jetzt <strong>der</strong> Ketzerei beschuldigt werden. Die römisch-katholische Kirche<br />

erweise sich hingegen in <strong>der</strong> konkreten Form ihrer Religiosität als die "neue, falsche<br />

Kirche". 313 Damit aber unternimmt Luther den Versuch, die reformatorische Kirche<br />

weiterhin als Ort <strong>der</strong> Geschichte des Heils auszuweisen. Zwar hielt er an den eschatologisch-apokalyptischen<br />

Vorstellungen seiner Zeit fest und ging vom nahen Ende <strong>der</strong><br />

Weltgeschichte aus, das allein in Gottes Ratschluß und Handlungsweise begründet liegt.<br />

Denn <strong>der</strong> Mensch lebt in dieser Welt, kann sich nicht gleichsam über die Zeit erheben<br />

und wartet darum auf Gottes heilvolles Handeln. Bis dieses aber eintritt, hat <strong>der</strong> Mensch<br />

sich in Verantwortung vor Gott für dieses Leben zu engagieren und zu bewähren. Damit<br />

aber sind wir beim zweiten Aspekt von Luthers Kirchen- und Geschichtsmodell angelangt.<br />

310Vgl.<br />

Koselleck, Zukunft, 22.<br />

311<br />

Vgl. ebd., 22f.<br />

312<br />

Vgl. zu folgendem Schwarz, Luther, 207-214.<br />

313 Ebd., 209f.

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