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Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

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34<br />

emanzipierende Vernunft, ist <strong>der</strong> hermeneutische Schlüssel zur Erschließung des Gemeinwesens<br />

auf Utopia. Die Idee, von <strong>der</strong> Morus sich bei seinem Entwurf leiten läßt, ist<br />

die, seinen Zeitgenossen zu zeigen, wie sehr die Vernunft, wenn sie im gesellschaftlichen<br />

Leben grundsätzlich zum Tragen kommt, den schlechten Gewohnheiten überlegen<br />

ist, die sich im Laufe <strong>der</strong> Zeit im Sozialwesen eingeschlichen haben. Denn wer vernünftig<br />

ist, meidet nach Morus tunlichst schlechte Gewohnheiten. Dementsprechend ist das<br />

Leben auf Utopia durch und durch vernünftig und klar geregelt. Alle seine Bereiche,<br />

private sowie öffentliche, sind planmäßig entworfen und geordnet. Sei es in Fragen <strong>der</strong><br />

Architektur, <strong>der</strong> Infrastruktur, <strong>der</strong> Verwaltung, des Eigentums, des Tagesablaufs, des<br />

sozialen Lebens und des Verhältnisses <strong>der</strong> Geschlechter zueinan<strong>der</strong>: nichts ist in Utopia<br />

dem Zufall überlassen, alles ist autonom-vernünftig und streng geregelt und strukturiert.<br />

Deswegen ist ein Privatleben im mo<strong>der</strong>nen Sinn dort nicht denkbar, ja wi<strong>der</strong>spräche <strong>der</strong><br />

"utopischen" Glückseligkeit. Die Auslöschung des Individuellen ist darum ein notwendiges<br />

Charakteristikum in Morus´ Staatsentwurf. <strong>Der</strong> staatlich verordnete Egalitarismus<br />

ist Prinzip des idealen Gemeinwesens, die Uniformierung <strong>der</strong> Bewohner in allen Bereichen<br />

ist dessen Signum. 63 Zudem: Das Privateigentum als Grundübel <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

ist abgeschafft 64 , indem es als Gemeineigentum in den Bereichen <strong>der</strong> Produktion und<br />

Distribution verankert wird. 65<br />

Die wahre, staatlich gewollte und geför<strong>der</strong>te Glückseligkeit wird aber allein dem zuteil,<br />

<strong>der</strong> sich <strong>der</strong> sinnlichen Ausschweifungen enthält und innerhalb <strong>der</strong> staatlichen<br />

Ordnungen ein gemäßigtes Leben führt. Die von Morus eingeklagte autonome Vernunft<br />

im gesellschaftlichen Leben erweist sich damit zugleich als Quelle eines je<strong>der</strong>mann<br />

verpflichtenden Moralkodexes. Das Gesamtgefüge des Morusschen Gemeinwesens<br />

steht somit unter dem Primat <strong>der</strong> Vernunft, die das öffentliche sowie das private Leben<br />

einzig unter dem Aspekt <strong>der</strong> sozialen Harmonie und <strong>der</strong> allgemeinen Wohlfahrt funktionalisiert.<br />

Die Folge davon ist ein Gesellschaftsprogramm, das in autoritär-etatistischer<br />

Weise in alle Belange des menschlichen Lebens eingreift. 66 Das gesamte Leben wird<br />

somit politisiert. Bei Morus wird die Vernunft egalitär, mit dem Ziel, eine menschenfreundliche<br />

Vernünftigkeit als staatstragendes Konzept zu installieren, die Folge davon<br />

ist jedoch die Auslöschung des Individuums zugunsten eines allen vorgeordneten Kollektivs.<br />

Damit aber geht Morus in seiner Vernunftkonzeption über Platon hinaus<br />

63So<br />

mit Saage, <strong>Utopie</strong>n, 27ff.<br />

64<br />

Vgl. Morus, Utopia, 63; 70f; 77.<br />

65<br />

Vgl. ebd., 59f.<br />

66<br />

Insofern überrascht es schon, wenn Bloch, PH, 598-607, Morus´ "Utopia" als "<strong>Utopie</strong> <strong>der</strong><br />

Freiheit" charakterisiert.

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