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Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

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beschreibt nun Marquardt das Reich Gottes, das er aufgrund <strong>der</strong> Offenheit <strong>der</strong> Gottesgeschichte<br />

bzw. Gotteserkenntnis unter die Kategorie <strong>der</strong> <strong>Utopie</strong> stellt?<br />

Ferne Gottes kann man nach Marquardt auf des Menschen Seite nur entsprechen, indem man<br />

sich, gleichsam in jüdischer Tora-Haltung, gegenüber den Weisungen Gottes tätig-praktisch<br />

verhält, analog Kants Denken von Gott als Postulat <strong>der</strong> praktischen Vernunft. Freilich betont<br />

Marquardt hier, daß man nach Auschwitz von Gott nur noch unter dem Vorbehalt reden könne,<br />

"daß Gott will und er lebt" (ebd., 342). Dies vorausgesetzt, ist die Redeweise von Gott weniger<br />

ein Gebot <strong>der</strong> praktischen Vernunft, son<strong>der</strong>n eine Art von Hoffnungspotential, das konstant und<br />

gegen den erfahrbaren Augenschein in Anlehnung an die jüdische Tora-Frömmigkeit von Gott<br />

redet, als ob es ihn gäbe. "Dies muß nicht eine agonistische Beziehung zu Gott sein. Aber nach<br />

diesem Modell wird Gott nicht durch Gott erkannt, son<strong>der</strong>n durch das, was Menschen von ihm<br />

"erfahren" o<strong>der</strong> "lernen", wenn sie die Weisungen Gottes tun und bedenken" (ebd., 278). Marquardt<br />

versucht in Anschluß an diesen Gedanken mittels <strong>der</strong> Philosophie von Lévinas die<br />

"Transzendenz des An<strong>der</strong>en" in die Theologie einzutragen, um damit den Vorrang <strong>der</strong> Ontologie<br />

im abendländischen-theologischen Denken zu korrigieren. Marquardt will mit dem Theorem des<br />

"An<strong>der</strong>en" einen Wi<strong>der</strong>fahrnischarakter erschließen, <strong>der</strong> die Differenz zwischen Gesagtem und<br />

Sagen bewahrt: "Nie wird er mir zu einem mir Gesagten, er ist schlechthin Mir-Sagendes: "Du<br />

wirst mich nicht töten". Auch hier also: Transzendenz, in <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong> fundamentalen Differenz<br />

entspricht zwischen (Schrift gewordenem) Gesagtem und einem immer neuen (mündlichen)<br />

Sagen - wie bei Leibowitz" (ebd., 281). Insofern wird Gott bei Marquardt selbst zu einer <strong>Utopie</strong>,<br />

"wenn wir - nach Auschwitz - von Gott reden unter dem Vorbehalt, daß ER will und lebt" (ebd.,<br />

282).<br />

Dies vorausgesetzt, versucht Marquardt dann die christliche Trinitätslehre in Analogie zu den<br />

biblischen Erzvätern nachzubilden, um so die Gemeinsamkeit von jüdischem und christlichem<br />

Denken zu betonen: "Zu erwägen wäre, ob den drei biblischen Väternamen Gottes - Abraham,<br />

Isaak, Jakob - die drei trinitarischen Namen - des Vaters, Sohnes und Geistes - nachgebildet und<br />

zugeordnet worden sein möchten, um so die beson<strong>der</strong>e Geschichtlichkeit des transzendeten<br />

Gottes in Gestalt <strong>der</strong> biblischen toledot nicht zu zerstören" (ebd., 280). Mit diesem Ansatz will<br />

Marquardt eine Verständigung zwischen jüdischer und christlicher Theologie erreichen, denn<br />

"<strong>der</strong> Eine Gott ist <strong>der</strong> Gott, <strong>der</strong> sich mit Israel geeint hat und immer wie<strong>der</strong> eint. Die Umrisse<br />

seiner jüdisch erkannten Transzendenz sind Momente <strong>der</strong> immer offenen Beziehung zwischen<br />

Gott und Diesem Volk und <strong>der</strong> Verantwortung, die Dies Volk für Gedeih und Ver<strong>der</strong>b seines<br />

Gottes übernommen hat. Gottes Transzendenz benennt den Raum <strong>der</strong> unendlichen Verantwortung,<br />

in <strong>der</strong> Israel für Gott einsteht. Christliche Trinitätslehre muß sich ihrerseits diesem kritischen<br />

Kriterium <strong>der</strong> Transzendenz Gottes unterwerfen, wenn sie - was sie soll und immer gewollt<br />

hat - mit Israel den gleichen Gott haben will. ...Eine nicht nur wirkende, son<strong>der</strong>n wirkliche Einheit<br />

von Gott und Jesus wird im Neuen Testament jedoch erst als eschatologisches Geschehen<br />

bezeugt und ist uns darin und darum bis heute "nur" in <strong>der</strong> Wirklichkeitsweise <strong>der</strong> <strong>Utopie</strong> faßbar"<br />

(ebd., 282). Damit aber zeigt Marquardt an, daß für ihn <strong>der</strong> <strong>Utopie</strong>begriff mehr ist als nur<br />

ein gesellschaftspolitisches Geschehen, son<strong>der</strong>n mit dem Begriff <strong>Utopie</strong> beschreibt Marquardt<br />

auch diejenigen Momente theologischen Denkens, die die "Gestaltwerdung Gottes" thematisieren.

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