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Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

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Die oben genannten Kritikpunkte an Piercy treffen, soweit wir sehen, auch auf eine<br />

Vielzahl von feministisch-utopischen Entwürfen zu. Vor allem <strong>der</strong> gynozentrischutopisch<br />

motivierte Feminismus bedient sich als sozialkritisches Analyseraster <strong>der</strong> einfachen<br />

Dichotomie zwischen positiv konnotierten frauenspezifischen Werten und Qualitäten,<br />

wohl gespeist aus überhöhten Matriarchatsvorstellungen und dem mitunter daraus<br />

abgeleiteten Axiom von <strong>der</strong> Frau als <strong>der</strong> natürlichen Verbündeten <strong>der</strong> Natur, und negativ<br />

besetzten männerspezifischen Eigenschaften im Sinne eines als nekrophil verstandenen<br />

Patriarchats. Diesen Sachverhalt vorausgesetzt, versucht die Mehrzahl <strong>der</strong> feministischen<br />

<strong>Utopie</strong>n ein Gemeinwesen zu installieren, das sich gänzlich aus <strong>der</strong> komplementär<br />

zu verstehenden Genustradition von Mann und Frau verabschieden will, um auf<br />

diese Weise den "Sündenfall <strong>der</strong> Menschheit: die Aneignung weiblicher Gebärfähigkeit<br />

als Urvergewaltigung" 1970 rückgängig zu machen. Nach Holland-Cunz stellt diese<br />

Sichtweise durchaus eine Berechtigung dar: "Dieser analytische Prozeß...hat sowohl<br />

logisch als auch historisch seine Berechtigung, spiegelt er doch die innere Struktur einer<br />

gesellschaftlichen Organisation wi<strong>der</strong>, die auf biologistischen "privaten" Unterwerfungsmustern<br />

beruht und sich aus diesem geschichtlich und systematisch zu einem öffentlichen<br />

allgemeinen System entwickelt hat: privat-politisch in <strong>der</strong> persönlichen Unterwerfung<br />

einer/je<strong>der</strong> Frau unter einen/jeden einzelnen Mann, öffentlich-politisch in<br />

<strong>der</strong> permanenten Reproduktion des primären Gewaltverhältnisses." 1971 Dementsprechend<br />

wird <strong>der</strong> Mann in diesen Denkmodellen namhaft gemacht für den Haß auf alles<br />

Leben, <strong>der</strong> seine Konkretion im Frauenhaß findet. Diese Strategie <strong>der</strong> "Dämonisierung<br />

des Mannes" immunisiert sich auf einfache, doch effektive Weise gegen eine differenzierte<br />

Wahrnehmung <strong>der</strong> Genese <strong>der</strong> Pathologien <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne, auf die etwa Habermas,<br />

Spaemann o<strong>der</strong> Jonas eindrucksvoll hingewiesen haben. So kann Holland-Cunz behaupten:<br />

"Sowohl atomare als auch ökologische Vernichtungsdrohung spiegeln patriarchalen<br />

Frauenhaß/Lebenshaß - bezeichnen also nicht die Ursache <strong>der</strong> Bedrohung, son<strong>der</strong>n<br />

ihre gesellschaftliche (Extrem-)Form." 1972 Indem also Holland-Cunz einer verkürzten<br />

Sichtweise <strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong> Pathologien <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne das Wort redet, erliegt sie<br />

1970Holland-Cunz, <strong>Utopie</strong>n, 93.<br />

1971 Ebd., 95. - Zugleich aber macht Holland-Cunz darauf aufmerksam, daß die feministischutopische<br />

Theorie hier leicht Gefahr läuft, einer Ebenenverwechslung zu erliegen, indem sie in<br />

einem induktiven Fehlschluß den einzelnen Mann mit dem patriarchalen System verwechselt.<br />

Dennoch aber geht die Autorin dessen ungeachtet davon aus, daß die "...Patriarchatsanalyse<br />

großen heuristischen Wert..." hat; ebd., 99. Indem sie aber den einzelnen Mann aus dieser Kritik<br />

ausnimmt, bleibt fraglich, worin dieser heuristische Wert bestehen soll, ist doch auch das negativ<br />

verstandene Patriarchat stets nur die Summe aus einzelnen Männern, die logischerweise dann<br />

eine Art Doppelleben führen müßten: Im individuellen Bereich patriarchatsfern, im öffentlichen<br />

Leben die Repräsentanten des pejoristischen Patriarchats. Zu fragen bleibt hier, ob Holland-Cunz<br />

damit nicht einer ideologisch verzerrten Sichtweise männlichen Lebens erliegt.<br />

1972 Ebd., 93.

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