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Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

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Lyotardschen Sinne - verpflichteten utopischen Entwürfe sich dem Totalitarismusverdacht<br />

stellen müssen, einen Verdacht, den Lyotard generell gegen mo<strong>der</strong>nes Denken<br />

erhebt. 1384 So schreibt er allgemein feststellend: "Es gibt keine beliebig wie<strong>der</strong>holbaren<br />

und nach einem einmütig gebilligten Protokoll definierte Verfahren, um die Wirklichkeit<br />

eines ideellen Gegenstandes im allgemeinen zu ermitteln. ...Totalitarismus wäre das<br />

Prinzip zu nennen, das das Gegenteil behauptet." 1385 Eine Hauptlinie des <strong>Utopie</strong>diskurses<br />

ab dem 18. Jahrhun<strong>der</strong>t erhebt jedoch via Vernunft, Geschichtsphilosophie und<br />

Fortschrittstheorem den Anspruch, die Wirklichkeit solch eines ideellen Gegenstandes,<br />

hier die gelingende Vergesellschaftung, benennen zu können. <strong>Der</strong> Preis dafür ist nach<br />

Lyotard immer, daß Unrecht und Ungerechtigkeit im Namen einer monistischenggeführten<br />

Vernunftskonzeption installiert werden. Demgegenüber will er eine Rehabilitierung<br />

<strong>der</strong> gegebenen Wirklichkeit in ihrer Pluralität positiv erarbeiten, eine plurale<br />

Wirklichkeit, die vom illusionären Denken zu befreien ist. 1386 Dementsprechend liegen<br />

im utopischen Denken Proben auf die Wirklichkeit vor, die sich nicht verifizieren lassen:<br />

"Aber..."den Fuß auf Utopia setzen" sind keine Proben auf die Wirklichkeit.<br />

...Bedeuten ist eine Sache, benennen eine an<strong>der</strong>e und zeigen noch eine an<strong>der</strong>e." 1387<br />

Zwar billigt Lyotard dem utopischen Denken das Bedeuten einer Sache zu, hier die<br />

Gemeinschaft ethischer Sätze als Ausdruck <strong>der</strong> Menschheit, jedoch benennt und zeigt<br />

<strong>der</strong> utopische Diskurs dieses Bedeuten in einer Weise, die sich nach Lyotard nicht verifizieren<br />

läßt, denn "die Gemeinschaft praktisch-vernünftiger Wesen...ist empirisch nicht<br />

nachweisbar." 1388 Den Totalitätsanspruch des utopischen Diskurses macht Lyotard im<br />

Anspruch des utopischen Diskurses aus, eine einzige Welt, eine bestimmte Gesellschaftsform<br />

zu installieren, die an<strong>der</strong>e Entwürfe unterdrückt. "Niemals gibt es eine<br />

einzige Welt, son<strong>der</strong>n nur Welten... <strong>Der</strong> Internationalismus kann die nationalen Welten<br />

nicht meistern..." 1389<br />

Lyotard wendet sich gegen einen Monismus <strong>der</strong> Vernunft, wie er auch in bestimmten<br />

Varianten utopischen Denkens auszumachen ist, dem er dialektisch-ambivalente Züge<br />

zuerkennt und seinerseits durch das Theorem <strong>der</strong> Heterogenität von Vernunftskonzeptionen<br />

via Wi<strong>der</strong>streit zu ersetzen sucht. Diese Kritik firmiert bei ihm unter dem Stich-<br />

1384Interessanterweise nimmt Lyotard in seinen Denken keine Notiz von den utopischen Entwürfen,<br />

die zwar auch dem aufgeklärten Denken verpflichtet sind, aber eben nicht dem Totalitarismus<br />

das Wort reden wollen, son<strong>der</strong>n sich zu einer anarchistischen Variante von <strong>Utopie</strong> bekennen<br />

und damit <strong>der</strong> Kritik Lyotards entgehen (vgl. oben 2.4. und 2.5). Ebenso nimmt Lyotard<br />

kaum Notiz von dem Programm <strong>der</strong> schwarzen <strong>Utopie</strong>n, die ebenso dem Totalitarismus <strong>der</strong><br />

instrumentellen Vernunft wi<strong>der</strong>sprechen (vgl. oben 2.7.).<br />

1385 Lyotard, Wi<strong>der</strong>streit, 19f.<br />

1386<br />

Vgl. ebd., 95, 99f, 104.<br />

1387<br />

Ebd., 80.<br />

1388<br />

Ebd., 211; vgl. ebd., 247.<br />

1389 Ebd., 266f.

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