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Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

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was ihnen das Leben allein lebenswert macht. ...<strong>Der</strong> Diskurs aber setzt eine solche<br />

Gemeinsamkeit voraus, er kann sie nicht herstellen. ...Wenn die Gemeinsamkeit <strong>der</strong><br />

Menschennatur nur in <strong>der</strong> Sprach- und Denkfähigkeit bestünde und nicht auch in einer<br />

gewissen elementaren Gemeinsamkeit unmittelbarer Wertschätzung, würde <strong>der</strong> Diskurs<br />

dies nicht ersetzen können. ...Gemeinsame Wertsetzungen lassen sich nicht diskursiv<br />

erzeugen, sie sind vorausgesetzt, wenn eine Verständigung über das Gute und das<br />

Schlechte überhaupt möglich sein soll." 1288 Mit diesem Einwand aber formuliert Spaemann<br />

die Einsicht, daß auch die differenziert vorgetragene Vernunftskonzeption, die<br />

Habermas in seiner Theorie des kommunikativen Handelns vorlegt, sich aufgrund einer<br />

mangelnden anthropologischen Fundierung in Aporien verstrickt, denen er nicht via<br />

Vernunft entrinnen kann. Generell zeigt dieser Einwand Spaemanns ein Grundproblem<br />

in Habermas´ Denken auf: Habermas will den Aporien <strong>der</strong> instrumentellen Vernunft<br />

dadurch entgehen, indem er erstens einen Paradigmawechsel von <strong>der</strong> Bewußtseinsphilosophie<br />

hin zur Sprachphilosophie vollzieht und zweitens seine dadurch reformulierte<br />

Theorie <strong>der</strong> Rationalität im Sinne eines Emanzipationsprozesses mit dem Modell <strong>der</strong><br />

Psychoanalyse zu untermauern sucht, mit dem Ziel "...<strong>der</strong> fortschreitenden reflexiven<br />

Auf- und <strong>Weg</strong>arbeitung historischer o<strong>der</strong> individual-genetischer Kommunikationssperren."<br />

1289 Wenn aber die Psychoanalyse, <strong>der</strong>en sich Habermas bedient, die Theorie<br />

des Unbewußten sein will, die Sprachphilosophie aber dem Bereich des Logisch-<br />

Bewußten angehört, dann kann es letztlich keine vernünftig strukturierte Sprachgestalt<br />

des Unbewußten geben, mit <strong>der</strong> letztendlichen Konsequenz, daß die Psychoanalyse<br />

eigentlich sprachlos bleiben muß, an<strong>der</strong>nfalls findet immer ein Überschritt vom Unsagbar-Unbewußten<br />

zum Sagbar-Bewußten statt. Genau dies aber geschieht bei Habermas<br />

via Vernunft und damit gerät er in die aufgezeigte Aporie.<br />

Einen an<strong>der</strong>en <strong>Weg</strong> beschreitet Spaemann, <strong>der</strong> zum einen mittels einer praktischen<br />

Vernunftskonzeption für das Modell <strong>der</strong> vernünftigen Herrschaft plädiert und diese<br />

Konzeption an<strong>der</strong>erseits durch anthropologische Erkenntnisse wie <strong>der</strong> Zeitknappheit<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> stets variablen Bedürfnisstruktur des Menschen stützt, denen er einen kategorialen<br />

Stellenwert einräumt.<br />

Zum Schluß aber kommt Spaemann in seiner Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Habermas zu<br />

dem Ergebnis, daß die Diskurstheorie sowohl in Hinsicht ihrer anthropologischen Unterbestimmung<br />

als auch aufgrund ihrer inhaltlich-logischen Unstimmigkeiten nicht<br />

verifiziert werden kann. Deswegen bestimmt Spaemann die Idee einer herrschaftsfreien<br />

Gesellschaft, die Habermas über den praktischen Diskurs erreichen will, als <strong>Utopie</strong> im<br />

pejorativen Sinne. Denn je<strong>der</strong> rationale Diskurs muß am Ende scheitern, "wenn er nicht<br />

auf gewisse Einsichten zurückführt, die unter den Gesprächspartnern unstrittig sind." 1290<br />

1288Ebd., 183.<br />

1289 <strong>Der</strong>s., Kritik, 120.<br />

1290 <strong>Der</strong>s., Glück, 184.<br />

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