22.08.2013 Aufrufe

Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

egriffes fest, aber er entgrenzt den herkömmlichen <strong>Utopie</strong>begriff als Frage nach <strong>der</strong><br />

besten Gesellschaftsverfassung hin zu einem weitgefächerten <strong>Utopie</strong>verständnis, das im<br />

je Vorgegebenen und Vorfindbaren utopische Inhalte auszumachen weiß. Bei Bloch<br />

wird das Sein an sich zu einem auf <strong>Utopie</strong> ausgerichteten Sein schlechthin. Nicht erst<br />

mit <strong>der</strong> Realisierung des utopischen Konstrukts, wie dies für die klassische <strong>Utopie</strong>tradition<br />

eigentümlich ist, ist für Bloch <strong>Utopie</strong> gegeben, son<strong>der</strong>n bereits <strong>der</strong> <strong>Weg</strong> zu diesem<br />

angestrebten Ziel, <strong>der</strong> Prozeß dorthin hat an sich schon utopische Qualität. Bloch gelingt<br />

diese Verän<strong>der</strong>ung über den Zwischenbegriff <strong>der</strong> "utopischen Intention", mit <strong>der</strong><br />

das utopische Geschehen im Keim schon als "Prinzip Hoffnung" ausgedeutet wird. 770<br />

Mehr noch: Durch die ontologisch motivierte Auslegung des je Vorgegebenen und<br />

Vorfindbaren als potentielle utopische Wirklichkeit im Sinne des Tendenz-Latenz-<br />

Verhältnisses gewinnt diese erfahrbare Wirklichkeit an sich grundsätzlich utopische<br />

Beschaffenheit.<br />

Weiter ist Bloch bemüht, <strong>der</strong> Dialektik <strong>der</strong> utopischen Vernunft dadurch zu entgehen,<br />

daß er dem reinen Vernunftpathos des klassischen <strong>Utopie</strong>diskurses das affektive<br />

Moment des Hoffens hinzufügt: "Die Vernunft kann nicht blühen ohne Hoffnung, die<br />

Hoffnung nicht sprechen ohne Vernunft, beides in marxistischer Einheit - an<strong>der</strong>e Wissenschaft<br />

hat keine Zukunft, an<strong>der</strong>e Zukunft keine Wissenschaft." 771 Mit <strong>der</strong> Betonung<br />

des Moments <strong>der</strong> Sinnlichkeit und <strong>der</strong> Leiblichkeit übernimmt Bloch - bewußt o<strong>der</strong><br />

unbewußt - einen zentralen Aspekt <strong>der</strong> schwarzen <strong>Utopie</strong>tradition, um auf dieser Weise<br />

dem Problem <strong>der</strong> Dialektik <strong>der</strong> utopischen Vernunft entgehen zu können. Obwohl<br />

Bloch in seinem Werk "Das Prinzip Hoffnung" den antiutopischen Realismus einfach<br />

übergeht und nicht diskutiert, kann diese These doch als Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong><br />

Dialektik <strong>der</strong> utopischen Vernunft verstanden werden, wohl wissend, daß Vernunft<br />

allein nicht zur Begründung einer positiven <strong>Utopie</strong> ausreicht. Dennoch aber bleibt<br />

Bloch <strong>der</strong> Gefahr des Umschlags von <strong>der</strong> positiven zur schwarzen <strong>Utopie</strong> prinzipiell<br />

ausgesetzt, und zwar aufgrund seiner anthropologischen Unterlegung <strong>der</strong> ontologischen<br />

Fundierung von <strong>Utopie</strong>. Gerade diese anthropologische Fundierung von <strong>Utopie</strong> birgt<br />

die Gefahr des dialektischen Umschlages von <strong>der</strong> positiven zur schwarzen <strong>Utopie</strong> in<br />

sich, ist doch <strong>der</strong> Mensch an sich kein Garant für das Gelingen von <strong>Utopie</strong>. Selbst<br />

Bloch geht davon aus, daß <strong>der</strong> utopisch erhoffte "neue Mensch", <strong>der</strong> frei ist von destruktiver<br />

Egozentrik, erst in <strong>der</strong> höheren Phase <strong>der</strong> kommunistischen Gesellschaft<br />

anzutreffen sein wird. Wie aber kann <strong>der</strong> "alte Mensch" zum Mitbeför<strong>der</strong>er von <strong>Utopie</strong><br />

werden? Die Gefahr des dialektischen Umschlages vergrößert sich noch dadurch, daß<br />

Bloch in marxistisch-sozialistischer Begründung dem utopischen Menschen das Revolutionsmittel<br />

<strong>der</strong> Gewalt in die Hand gibt, um die <strong>Utopie</strong> voranzutreiben. Aber welche<br />

Garantien für das Gelingen von <strong>Utopie</strong> kann Bloch benennen, wenn hierzu <strong>der</strong> fehlbare<br />

770So auch Saage, Zukunft, IX; vgl. auch Brenner, Aspekte, 12.<br />

771 Bloch, PH, 1618.<br />

187

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!