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Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

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lich unterbestimmt bleiben. So gesehen, kommen utopische Bil<strong>der</strong> einer "besseren<br />

Welt" im Rahmen <strong>der</strong> Sollensgröße Verfassungsstaat als grammatikalische Funktionen<br />

zum Zuge, die ein gelingendes Gemeinwesen bildhaft-visionär erschließen können, die<br />

aber nicht durchdekliniert werden dürfen 2381 , es sei denn, die demokratische Selbststeuerung<br />

unternimmt dies alsbald selbst. Nur im Rahmen dieser Setzung und Begrenzung<br />

haben utopische Perspektiven weiterhin ihr Recht, also als Bil<strong>der</strong> und Visionen, die die<br />

Menschen anregen und hoffnungsvoll ermuntern sollen, über den Status quo hinaus<br />

"Besseres" zu suchen. Als unerläßliches "Werkzeug" hierzu dient aber die Sozialkritik.<br />

Um aber sinnvoll Sozialkritik zu betreiben, muß ein Modell, eine Vorstellung von dem<br />

da sein, wie gelingende Gemeinschaft gedacht werden kann, um den gegenwärtigen Ist-<br />

Zustand von Gesellschaft selbst bewerten zu können. Ideologien haben sich hier nicht<br />

bewährt, gilt doch, daß diese den Hang in sich haben, sich absolut zu setzen, somit aber<br />

einer gedanklichen Engführung unterliegen. Jedoch ein Kriterium läßt sich u. E. hier<br />

benennen, mit dem sinnvoll Sozialkritik betrieben werden kann<br />

Neben all den träumerisch-romantischen Sehnsüchten nach Harmonie des Menschen<br />

mit sich und <strong>der</strong> Natur, die sicherlich auch hierbei eine Rolle spielen, also des Menschen<br />

Wunsch nach "Heil": <strong>der</strong> Überwindung <strong>der</strong> Unbilden des Lebens wie Armut,<br />

Krankheit, Tod, Einsamkeit, Krieg usw., kann ein Faktor benannt werden, <strong>der</strong> bisher im<br />

utopischen Diskurs keine Beachtung gefunden hat: es ist <strong>der</strong> christlich evocierte Personenbegriff.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> trinitätstheologischen Debatte <strong>der</strong> Alten Kirche ist <strong>der</strong> Personenbegriff<br />

zumindest in <strong>der</strong> christlich geprägten Welt zum Allgemeingut geworden. 2382 "Die<br />

Geschichte des Personenbegriffs ist die Geschichte eines Umwegs, dessen Vergegenwärtigung<br />

uns für eine Weile in den Kern <strong>der</strong> christlichen Theologie führt. Was wir<br />

heute "Person" nennen, wäre ohne die christliche Theologie unbenennbar geblieben und<br />

da - Personen ja nicht einfach natürliche Vorkommnisse sind - nicht in <strong>der</strong> Welt. Das<br />

heißt nicht, daß seine Verwendung nur unter bestimmten theologischen Voraussetzungen<br />

sinnvoll ist, wenngleich es denkbar ist, daß das Verschwinden <strong>der</strong> theologischen<br />

Dimension auf die Länge auch den Personenbegriff wie<strong>der</strong> zum Verschwinden bringen<br />

würde." 2383 Dies vorausgesetzt, läßt sich sinnvollerweise <strong>der</strong> Personenbegriff als Re-<br />

2381Das ist die große Schwäche von Marquardts theologischer <strong>Utopie</strong>, dies getan zu haben.<br />

2382 Dies würde auch erklären, warum die Menschenrechtsfrage, die sich allererst über den Personenbegriff<br />

etablieren konnte, in den Län<strong>der</strong>n Asiens o<strong>der</strong> in China, wo das Christentum eher<br />

von marginaler Bedeutung ist, nach unserem Verständnis wenig Beachtung findet.<br />

2383 Spaemann, Personen, 26f; vgl. ausführlich hierzu ebd., 25-42. - Heute stellen wir eine allgemeine<br />

Sinnentleerung des Personenbegriffs fest, etwa wenn durch Werbestrategen Dinge und<br />

Sachen personifiziert werden, wie wenn auf einem Mietwagen steht: "Mich kann man mieten."<br />

O<strong>der</strong> aber auch, wenn Wetterereignisse wie Stürme personifiziert werden, indem diese mit Namen<br />

versehen werden.

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