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Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

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die Lebenswelt zu reintegrieren. Auch hier kommt Habermas über ein Postulat nicht<br />

hinaus, bleibt er doch den Beweis schuldig, darzulegen, wie diese Reintegration praktisch<br />

verwirklicht werden kann. Auch Habermas´ Ausführungen zum kommunikativen<br />

Handlungsmodell 1098 helfen hier nicht weiter. Wie soll es beispielsweise möglich sein,<br />

das detaillierte Fachwissen eines Chemikers, Physikers o<strong>der</strong> Informatikers in die Lebenswelt<br />

<strong>der</strong> breiten Bevölkerung zu integrieren, es sei denn in <strong>der</strong> von Pörksen gedeuteten<br />

Rolle eines "Magiers" 1099 , eine Vorstellung, die freilich keineswegs in Habermas´<br />

Handlungsmodell einzupassen ist. Die von Habermas gefor<strong>der</strong>te Reintegration <strong>der</strong><br />

Expertenkultur in die Lebenswelt muß doch allein schon daran scheitern, daß das jeweilige<br />

spezifische Fachwissen des Experten nicht ohne weiteres in <strong>der</strong> Alltagspraxis zum<br />

Tragen kommen kann, allein schon wegen <strong>der</strong> immer größer werdenden Wissens- und<br />

Sprachdifferenz zwischen Experten und Nicht-Experten. Hier tut sich eine Differenz<br />

auf, die Habermas zu wenig bedenkt und die sein utopisches Theorem <strong>der</strong> harmonischen<br />

Gesellschaft als nicht haltbar erweist. Dies hätte er wohl vermeiden können, hätte<br />

Habermas das Verhältnis von Einheit und Differenz nicht im Sinne einer Subordination<br />

bestimmt, son<strong>der</strong>n vielmehr als ein komplementäres Geschehen, in dem die Momente<br />

von Rationalität und Sinnlichkeit, von Konsens und (auch) affektgebundenem Dissens<br />

als lebensstrukturelle Möglichkeiten in ein lebensbeför<strong>der</strong>ndes Geschehen treten könnten.<br />

1100<br />

263<br />

Alltagswelt zu überbrücken. Dies erreicht <strong>der</strong> Experte durch seinen bewußten Einsatz von Sprache:<br />

"Er wirft sich den Talar <strong>der</strong> wissenschaftlichen Sprache über und schüchtert ein, schafft<br />

Distanz zum Laien und gewinnt dadurch Durchsetzungskraft. ...<strong>Der</strong> Experte ist aber auch ein<br />

Übersetzer. Er übersetzt die Wissenschaft für den Laien, nicht nur in <strong>der</strong> Weise, daß er sie verständlich<br />

deutet. Er ist in jedem Sinn ihr Überbringer. Denn er überträgt, was in <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

neu erreicht ist, ohne die gähnende Kluft anzuerkennen, die hier besteht, in die soziale<br />

Welt" (ebd., 96f).<br />

1098<br />

Vgl. Habermas, TKH 1, 143.<br />

1099<br />

Vgl. Pörksen, Plastikwörter, 106.<br />

1100<br />

Einen interessanten Vorschlag hierzu legt Welsch, Vernunft, bes. 748ff und 909ff vor.<br />

Welsch führt unter <strong>der</strong> Terminologie "transversale Vernunft" eine Vernunftskonzeption vor, die<br />

als Instanz auf einen archimedischen Punkt verzichten zu können glaubt, sich jedoch als Potenz<br />

von Übergängen begreift und darin ihre Souveränität entwickeln will. Auf diese Weise ist es<br />

nach Welsch <strong>der</strong> transversalen Vernunft möglich, "...unparteilich und neutral die divergierenden<br />

Ansprüche <strong>der</strong> einzelnen Rationalitäten zu prüfen und ins rechte Verhältnis zu setzen. Dazu aber<br />

ist nur ein nicht auf bestimmte Inhalte festgelegtes, dazu ist einzig ein formales und reines Vermögen<br />

imstande. Nur es vermag im Übergang zwischen den diversen Formen <strong>der</strong> Rationalität die<br />

gebotene Gleichberücksichtigung zu leisten und Gerechtigkeit zu gewährleisten" (ebd., 760).<br />

Welsch hebt dabei hervor, daß diese Art von Vernunft im Sinne eines Vermögens in <strong>der</strong> Lage ist,<br />

ins Geflecht <strong>der</strong> Plausibilität einzutreten, "um zwischen <strong>der</strong>en diversen Formen Austausch und<br />

Konkurrenz, Kommunikation und Korrektur, Anerkennung und Gerechtigkeit zu ermöglichen;<br />

nur dank <strong>der</strong> Überständigkeit <strong>der</strong> Vernunft kann man <strong>der</strong> komplexen Verfassung <strong>der</strong> Rationalität

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