22.08.2013 Aufrufe

Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

utopischer Perspektive thematisierte "neue Mensch". Als Intention hierfür kann <strong>der</strong><br />

Versuch gelten, die Grundbeziehung des Menschen zur Erde als zu gestaltendem Lebensraum<br />

von einer enggeführten kirchlichen Bevormundung im Sinne einer billigen<br />

Jenseitsvertröstung zu befreien und auf diese Weise zu einer faktischen Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Lebenswirklichkeiten beizutragen. Insofern ist <strong>der</strong> anthropologischen Fundierung<br />

utopischen Denkens auch ein Moment <strong>der</strong> Sozialkritik innewohnend.<br />

Dieser utopische Ansatz will nun durch des Menschen Sinn, Kraft und Vernunft auf<br />

Erden schon das verwirklichen, was kirchlich geprägte Hoffnung einst <strong>der</strong> Vollendung<br />

im Jenseits bzw. dem vollendet rein Ideelen anheimstellte: das Reich <strong>der</strong> Freiheit bzw.<br />

das Reich Gottes. Die anthropologische Fundierung utopischen Denkens will nun gerade<br />

ihre Berechtigung darin finden, daß sie <strong>der</strong> phantastisch-illusionären Verwirklichung<br />

des Menschseins in einer fingierten Über- und Nachwelt wehren und im Gegenzug das<br />

Menschsein selbst auf <strong>der</strong> Erde in positiver Weise verorten will: utopisches Denken ist,<br />

so gesehen, an einer Rehabilitierung des Menschen gelegen. Dieser Denkansatz steht<br />

aber im krassen Gegensatz zur christlich motivierten Anthropologie, zumal dann, wenn<br />

das Theorem des "neuen Menschen" bzw. dessen schöpferische Kraft <strong>der</strong> Neugestaltung<br />

dieser Welt zur Veranschaulichung und Vorwegnahme eines gelingenden Lebens<br />

in eschatologischer Qualität dient. Sofern christliches Denken auf ein solcher Art gestaltetes<br />

utopisches Denken traf, verwies christliches Denken diesen utopischen Ansatz<br />

seinerseits in den Bereich des Irrealen und Illusionären, konnte doch aufgrund <strong>der</strong> im<br />

Westen allgemein rezipierten Erbsündenlehre Augustins dieses Denken nicht wi<strong>der</strong>spruchsfrei<br />

hingenommen werden. 1993 Demgegenüber betont <strong>der</strong> utopische Diskurs,<br />

1993Vgl. zur augustinischen Erbsündenlehre: <strong>der</strong>s., Gottesstaat, Kap. 13f. Nach Augustin hat<br />

<strong>der</strong> Mensch vor dem sogenannten Sündenfall in Genesis 3 das Vermögen besessen, nicht zu<br />

sündigen (posse non peccare), nach diesem besitzt er nur noch das Unvermögen, nicht zu sündigen<br />

(non posse non peccare). Augustin beschreibt die Sünde nun inhaltlich - in Anlehnung ans<br />

platonische Menschenbild - als privatio boni, superbia, amor sui und concupiscentia, <strong>der</strong>en eine<br />

Ausdrucksform die sexuelle libido ist. Dies führte dann zur Redewendung vom vitium originis<br />

bzw. peccatum originale, ein Gedanke, <strong>der</strong> bis in die Gegenwart die Bekenntnisse <strong>der</strong> westlichen<br />

Kirchen elementar bestimmt. So etwa heißt es in CA II: "Item docent, quod post lapsum Adae<br />

omnes homines, secundum naturam propagati, nascantur cum peccato, hoc est, sine metu Dei,<br />

sine fiducia erga Deum et cum concupiscentia, quodque hic morbus seu vitium originis vere sit<br />

peccatum, damnans et afferens nunc quoque aeternam mortem his, qui non renascuntur per baptismum<br />

et spiritum sanctum" (Bekenntnisschriften, 53). Vgl. allgemein zu Augustin: Mayer:<br />

Augustinus, 179-214. - Eine interessante, wohl in feministischer Perspektive entworfene Anfrage<br />

an Augustins Denkens bietet: Jostein Gaar<strong>der</strong>: Das Leben ist kurz: Vita brevis, vgl. ebd. Darin<br />

gibt Gaar<strong>der</strong> einen (fingierten?) Brief <strong>der</strong> Geliebten Augustins namens Floria wie<strong>der</strong>, in dem sie<br />

Augustin auf die frauenverachtende Haltung seiner concupiscentia-Lehre aufmerksam macht und<br />

fragt, ob dies im Sinne von Gottes Schöpfungsordnung sein könne. - Eine ganz an<strong>der</strong>e Sichtweise<br />

von Genesis 3 bietet Gese: Gese exegisiert den Text als eine ätiologische Erzählung über die<br />

479

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!