22.08.2013 Aufrufe

Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

20<br />

1.3 Zur Geschichte des <strong>Utopie</strong>begriffs<br />

1.3.1 Allgemeines<br />

<strong>Der</strong> Begriff <strong>Utopie</strong> 13 ist ein aus dem Griechischen stammendes Kunstwort (ου = nicht,<br />

τοπος = Ort) und bedeutet in <strong>der</strong> Übersetzung soviel wie "<strong>der</strong> Ort, <strong>der</strong> nirgends ist,<br />

Nirgendsort". Allgemein bezeichnet <strong>der</strong> Begriff <strong>Utopie</strong> ein nicht durchführbares Projekt,<br />

im speziellen aber eine gedanklich entwickelte Gesellschaftsform, die noch nicht<br />

verwirklicht worden ist o<strong>der</strong> werden kann. In diesem Fall ist mit <strong>Utopie</strong> also eine Idealform<br />

<strong>der</strong> menschlichen Gesellschaft gemeint, nach <strong>der</strong> die Realform einer Gesellschaft<br />

bemessen und beurteilt wird. Diese zentrale Variante des utopischen Denkens kann als<br />

"autoritär-etatistisch" bezeichnet werden, zumal dabei das Kollektiv sowie das Ganze<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft vor dem einzelnen zum Tragen kommen. Diese kollektiv verfaßte<br />

Gesellschaftsform kann aber auch totalitär-reprässive Strukturen entwickeln, so daß mit<br />

dem Wort <strong>Utopie</strong> auch <strong>der</strong> Inbegriff von Schreckensbil<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Gewalt und <strong>der</strong> Unterdrückung<br />

bezeichnet werden kann.<br />

Bei allen Definitionsversuchen ist aber zu bedenken, daß <strong>Utopie</strong> ein relativ junger<br />

Begriff <strong>der</strong> politisch-sozialen Sprache Deutschlands ist. Denn erst nach 1800 gewinnt<br />

<strong>der</strong> - ursprünglich aus Thomas Morus´ 1516 erschienenen Schrift "Utopia" 14 abgeleitete<br />

13Die ausführlichste und überzeugendste Darstellung des Begriffs <strong>Utopie</strong> bietet Hölscher in:<br />

<strong>Utopie</strong>, 733-788. Im wesentlichen folgen wir diesen Ausführungen. Vgl. ferner noch folgende<br />

Definitionen: "Die klassischen U.n sind i.d.R. Gesamtentwürfe für eine vollkommene, auf dem<br />

Prinzip <strong>der</strong> Gerechtigkeit basierende Gesellschaftsordnung, die ein in kritischer Absicht entwickeltes<br />

Kontrastprogramm als Korrektiv zu bestehenden Verhältnissen abgeben soll" (Staatslexikon,<br />

Bd. 5, 577). Nicht min<strong>der</strong> vorsichtig definiert <strong>der</strong> Meyer <strong>Utopie</strong> als einen "klassifikatorischen<br />

Begriff zur Erfassung 1. einer die Realitätsbezüge ihrer Entwürfe hinsichtlich <strong>der</strong> theoretischen<br />

Begründung und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> praktischen Anwendung bewußt o<strong>der</strong> unbewußt vernachlässigenden<br />

Denkweise sowie 2. einer literarischen Denkform, in <strong>der</strong> Aufbau und Funktionieren<br />

idealer Gesellschaften und Staatsverfassungen eines räumlich und/o<strong>der</strong> zeitlich entrückten Ortes<br />

(z.B. das Land "Nirgendwo"), oft in Form fiktiver Reiseberichte konstruiert werden" (Meyer,<br />

Lexikon, Bd. 24, 306). Ähnlich definiert Meyers Politik, 426: "<strong>Utopie</strong> (von griechisch "Nirgendsland"):<br />

In allgemeiner Bedeutung Bezeichnung für ein nicht durchführbares Projekt, im<br />

engeren Sinn eine in Gedanken entwickelte Gesellschaftsform, die (noch) nicht realisiert wurde<br />

o<strong>der</strong> werden kann. Sie wird oft als Idealform <strong>der</strong> menschlichen Gesellschaft entworfen und zeigt<br />

auf, in welcher Richtung sich die reale Gesellschaft entwickeln sollte. <strong>Utopie</strong>n wurden von verschiedenen<br />

Denkern mit unterschiedlicher gesellschaftlicher Auffassung entworfen (z.B. religiöse<br />

u. kommunistische <strong>Utopie</strong>n). <strong>Utopie</strong>n können aber negative Schreckbil<strong>der</strong> von Gewalt und<br />

Unterdrückung (negative <strong>Utopie</strong>n, z.B. A.Huxley) sowie Vorstellungen von realisierbaren Verbesserungen<br />

humaner und sozialer Bedingungen (konkrete <strong>Utopie</strong>n) entwickeln."<br />

14 Vgl. Morus, Utopia; <strong>der</strong> volle Titel lautet: De optimo rei publicae statu deque nova insula<br />

Utopia, libellus vere aureus, nec minus salutaris quam festivus.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!