Erhard Weigel â 1625 bis 1699 - Astrophysikalisches Institut und ...
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<strong>Erhard</strong> <strong>Weigel</strong> in seiner Zeit 33<br />
Wirkung bei den Hörern erzielten. In Tabelle 3 sind wichtige Vorlesungen<br />
<strong>Weigel</strong>s aus den Jahren 1665 <strong>bis</strong> <strong>1699</strong> zusammengestellt.<br />
Mathematik war ihm aber nicht nur Werkzeug für technische Anwendungen.<br />
Sie hatte für ihn universelle Bedeutung, weil er sie für die Gr<strong>und</strong>lage<br />
jeglicher Philosophie <strong>und</strong> Wissenschaft hielt. Mathematik sei die vollständige,<br />
wahre <strong>und</strong> vernünftige Philosophie, schrieb er 1693 in seinem Werk<br />
„Philosophia mathematica, Theologia naturalis solida“. Hierbei war ihm<br />
auch die ethische Dimension der Mathematik besonders wichtig. Der „Wienerische<br />
Tugendspiegel“ von 1687 spricht von der „Aretologistica, der tugendübenden<br />
Rechenkunst“. Rechnen ist Rechtnen (richtig tun, Rechenschaft<br />
geben). Die Rechenkunst erzieht zur Weisheitsliebe, Bedachtsamkeit,<br />
Sittsamkeit, Sanftmut, Geduld, Herzhaftigkeit, Gesprächigkeit, Höflichkeit,<br />
Verschwiegenheit, Wahrhaftigkeit, Sparsamkeit usw.<br />
Diese f<strong>und</strong>amentale Rolle der Mathematik versuchte <strong>Weigel</strong> auch seinen<br />
Landesherren nahezubringen. Herzog Wilhelm Ernst unterbreitete er<br />
1694 die „unterthänigste Bitte, nicht nur die Principien Matheseos unter<br />
den Schulen kräftig zu stabiliseren, sondern auch auf der Universität nicht<br />
leichtlich jemand ad professionem publicam zu admittieren, der nicht die<br />
so friedsame Mathesin Euclideam gutesteils begriffen oder sie dabey zu begreiffen<br />
ernstlich bemüht sein wolle. Alsdann wird der Geist des Friedens<br />
<strong>und</strong> der Eintracht unter den Philosophen in allen Disziplinen folgen <strong>und</strong><br />
auch in allen Fakultäten“.<br />
Hier schwingen bittere Erfahrungen mit, die <strong>Weigel</strong> an der Salana machen<br />
mußte. Seine Überzeugung von der universellen Bedeutung der Mathematik<br />
mündete oft in Wort <strong>und</strong> Schrift in einen kämpferischen mathematischen<br />
Reduktionismus ein. Zusammen mit seiner Kampfansage an die<br />
immer noch an den Universitäten verbreitete scholastische Argumentationsweise<br />
brachte ihm das manchen Zusammenstoß mit seinen Fakultätskollegen<br />
ein. Aus brieflichen Äußerungen Leibniz’ wissen wir, daß <strong>Weigel</strong><br />
die scholastische Wortakrobatik mancher der üblicherweise in Latein gehaltenen<br />
akademischen Disputationen der Lächerlichkeit preisgab, indem er<br />
die Disputanten zwang, sich deutsch auszudrücken. In dieser Hinsicht war<br />
er ein typischer Vertreter der Frühaufklärung. Die Auseinandersetzungen<br />
endeten gelegentlich damit, daß der Dekan der Philosophischen Fakultät<br />
disziplinarische Maßnahmen verhängte. Da <strong>Weigel</strong> selbst rein theologische<br />
Lehrsätze, z. B. die Dreifaltigkeit Gottes, mathematisch begründen wollte,<br />
handelte er sich auch Ärger mit den Theologen ein, denen seine Weltoffenheit<br />
ohnehin ein Dorn im Auge gewesen sein mußte.