Erhard Weigel â 1625 bis 1699 - Astrophysikalisches Institut und ...
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60 Leonhard Friedrich<br />
16. Jahrh<strong>und</strong>ert geläufigen Gedanken einer Mathesis universalis, einer universellen<br />
mathematischen Wissenschaft von der Natur, von allgemeinen<br />
Eigenschaften <strong>und</strong> Prinzipien quantitativer Art <strong>und</strong> fügt sich ein in die<br />
diesbezüglichen Bemühungen des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts zwischen Descartes <strong>und</strong><br />
dem <strong>Weigel</strong>schüler Leibniz 83 .<br />
Für <strong>Weigel</strong> ist die Natur nicht bloß der Lebensraum des Menschen <strong>und</strong><br />
ein Fixpunkt für dessen Orientierung in der Welt, sie gilt ihm vielmehr als<br />
die einzige Quelle der Erkenntnis. Diese Quelle birgt Rätsel in Fülle, deren<br />
Entschlüsselung Zuwachs an neuem Wissen <strong>und</strong> Weisheit verbürgt. Allein<br />
die Mathematik vermöge unter den wissenschaftlichen Disziplinen ein universelles<br />
Instrument der Naturerschließung bereitzustellen, weil ihre Denk<strong>und</strong><br />
Verfahrensweise der Gesetzmäßigkeit der Natur entspreche. <strong>Weigel</strong><br />
weist der Mathematik deshalb die Rolle der „F<strong>und</strong>amental-Disciplin“ 84<br />
zu. Zum einen könne sie die Einheit der philosophischen Disziplinen stiften,<br />
zum anderen sei sie vor allem wegen ihrer „Allgemeinheit, Mannigfaltigkeit<br />
<strong>und</strong> Gewissheit“ 85 auch anwendbar auf die Erfordernisse des praktischen<br />
Lebens <strong>und</strong> könne dadurch der menschlichen Gesellschaft nützlich<br />
werden <strong>und</strong> zum allgemeinen Besten beitragen. Somit komme der Mathematik<br />
der Status der Basiswissenschaft auch für die Pädagogik zu; sie sei<br />
zugleich Gr<strong>und</strong>lage von Erziehung <strong>und</strong> Bildung, denn allein sie ermögliche<br />
rationale Auseinandersetzung mit bestehenden Problemen <strong>und</strong> gewährleiste<br />
stringente Argumentation. Die Sprachen hingegen, die <strong>bis</strong>her im Unterricht<br />
favorisiert wurden, taugten nicht als F<strong>und</strong>ament von Erziehung<br />
<strong>und</strong> Bildung. Sie verfügten nicht über ein hinreichend bündiges Regelwerk<br />
<strong>und</strong> könnten deshalb das jeweils Gedachte nur unzulänglich abbilden. Ihre<br />
übergeordnete Stellung im Curriculum der Schule sei verfehlt, zumal sie an<br />
der Gesetzmäßigkeit der Natur nicht partizipierten. Sie könnten infolgedessen<br />
das Denken kaum befördern. Die „Sprech-Künste“ hätten vielmehr<br />
„die ingenia sehr stumpff gemacht, verhindert <strong>und</strong> zurück gehalten“ 86 . Sie<br />
dienten nur als behelfsmäßiges Instrument der Verständigung, seien „des<br />
gemeinen Volcks Geschöpff“ 87 <strong>und</strong> stünden in der wortdominierten Schule<br />
stets in Gefahr, ins „Maul-Fechten“ 88 auszuarten, sich in leerer Rhetorik<br />
zu verfangen.<br />
83 Vgl. Scholz, Heinrich: Mathesis universalis. Abhandlungen zur Philosophie als strenger<br />
Wissenschaft. Basel/Stuttgart 1969; Kauppi, Raili: Mathesis universalis. In: Historisches<br />
Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. von Joachim Ritter <strong>und</strong> Karlfried Gründer,<br />
Bd. 5, Darmstadt 1980, Sp. 937 f.<br />
84 <strong>Weigel</strong>, a. a. O., S. 82.<br />
85 ebd.<br />
86 a. a. O., S. 189.<br />
87 a. a. O., S. 131.<br />
88 a. a. O., S. 207.