Erhard Weigel â 1625 bis 1699 - Astrophysikalisches Institut und ...
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Die Pädagogik <strong>Erhard</strong> <strong>Weigel</strong>s 55<br />
erf<strong>und</strong>enen Schweb=Claß“ 52 . Die Schreibregel galt als ein originelles Lehrmittel.<br />
Sie bestand aus einem mechanischen System, das im Anfangsunterricht<br />
zum Training der Schreibmotorik genutzt wurde <strong>und</strong> die gleichzeitige<br />
Ausführung der Schreibbewegung durch eine größere Anzahl von<br />
Kindern erlaubte. <strong>Weigel</strong> selbst behauptete, es sei einer einzigen Lehrperson<br />
möglich, daß gleichzeitig „20. Kindern auf einmahl durch eine Schreib-<br />
Regel die Hände geführet werden können, so daß sie alle Buchstaben eben<br />
so schön <strong>und</strong> vollkommen, als der Informator selbst auf das vor ihnen<br />
liegende Papier hinschreiben“ 53 . Eine ungefähre Vorstellung von der technischen<br />
Konstruktion läßt sich aufgr<strong>und</strong> einer Beschreibung <strong>Weigel</strong>s gewinnen.<br />
Es sei „solch Schreib- <strong>und</strong> Rechen-Instrument anders nichts als<br />
ein langer verführter Radius, der beym Centro eine lange enge Spalte<br />
hat, durch welche ein unbeveglicher Stifft gehet, umb welchen folglich die<br />
Schreib-Regul bequem zu bewegen ist. Am andern End ist sie in verschiedene<br />
parallel-Regeln als ein länglicht gevierdtes Geschränck, eingetheilt,<br />
an dessen Mitte der Informator sitzt, <strong>und</strong> das gantze Instrument, weil es<br />
frey in der Lufft hangt, mit leichter Mühe dirigirt. Die Kinder aber sitzen<br />
zwischen denen parallel-Regeln, auf kleinen Bäncken an denen gleich daran<br />
gemachten Tischen, haben vor sich ihr an dem Tisch mit sonderlichen<br />
Bretlein befestigtes Papier, legen die Hand iedes an eine da vorhandene Feder,<br />
oder Bleystifft, welche alle in gleichen Wincklein einander parallel an<br />
die Schreib-Regel fest angemacht, doch mit Stem-Federn niedergedruckt,<br />
mit dem gemeinen Aufzug, der an ein Pedal geb<strong>und</strong>en, aufgehoben werden<br />
können, womit die Kinder, wenn sie die Händlein nur dran halten, auf ihr<br />
Papier eben solche Züge, als der in der Mitten sitzende Original-Schreiber,<br />
machen.“ 54<br />
Neben der „Schreibregel“ wurde eine „Leseregel“ bei den Schulanfängern<br />
eingesetzt, die durch die Mobilisierung aller Sinne der Kinder die Aneignung<br />
der Buchstaben erleichterte. Diese Methode sollte der Effektivierung<br />
des Leselernprozesses dienen. Aus Brotteig gebackene Buchstaben, die den<br />
beweglichen Lettern des Buchdruckers glichen, sollten „mit dem Sprechen<br />
durch die Ohren, mit der Vorschrifft durch die Augen, mit dem Nachzug<br />
durch die Hände, mit dem Nachspruch durch die Zunge“ 55 rezipiert <strong>und</strong><br />
schließlich auch buchstäblich einverleibt werden. <strong>Weigel</strong> verzichtete bewußt<br />
52 ebd.<br />
53 <strong>Weigel</strong>, a. a. O., S. 80.<br />
54 a. a. O., S. 80 f.<br />
55 a. a. O., S. 65.