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Erhard Weigel – 1625 bis 1699 - Astrophysikalisches Institut und ...

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56 Leonhard Friedrich<br />

auf das Buchstabieren, sondern bediente sich der damals noch nicht üblichen<br />

Lautiermethode. Für den Rechenunterricht stellte er eine entsprechende<br />

Lernhilfe zur Verfügung. Eine besondere Attraktion war die „Schwebe-<br />

Claß“, die allerdings bald nach der Erprobung wieder abgeschafft worden<br />

ist. Wahrscheinlich stand der technische Aufwand nicht in einem überzeugenden<br />

Verhältnis zum Nutzungswert. Die „Schwebe-Claß“ bestand „in<br />

etlichen Bäncklein, die auf einen brettern Boden fest angemacht sind, <strong>und</strong><br />

hängt die gantze Claß an denen eusersten Enden in starcken Stricken <strong>und</strong><br />

eissern Hacken, so daß folglich selbige allezeit im Schwang den Boden des<br />

Gemachs parallel, <strong>und</strong> also stets horizontal verbleibt, man schwencke sie so<br />

hoch als man wolle. Dahero praestirt sie denen Kindern eine annehmliche<br />

Ruhe mitten in der Bewegung“ 56 . Sie sollte lustvolles <strong>und</strong> zugleich konzentriertes<br />

Lernen ermöglichen. In Schwebeposition gebracht wurde sie vor<br />

allem im Sprach- <strong>und</strong> Religionsunterricht zu rhythmisch spielerischen Memorierübungen<br />

eingesetzt 57 . Auf zwei speziell konstruierten Pferden wurden<br />

Reit- <strong>und</strong> Bewegungsübungen durchgeführt, aber auch Vokabeln <strong>und</strong><br />

Grammatik trainiert. Ihnen kam im Rahmen der Tugenderziehung besondere<br />

Bedeutung zu. Pferd <strong>und</strong> Reiter galten <strong>Weigel</strong> als das Symbol der<br />

Bändigung der menschlichen Affekte <strong>und</strong> Triebe durch den vernünftigen<br />

Willen. Die Schüler sollten auf spielerische Weise lernen, daß der Trieb wie<br />

der Affekt – das Tier im Menschen – „dem Geist pariren müsse, wie ein<br />

Ritterpferd dem Rittersmann parirt“ 58 .<br />

Das Curriculum der <strong>Weigel</strong>schen Schule hatte eine eindeutig realistische<br />

Ausrichtung <strong>und</strong> war dennoch weit gespannt. Sein Kern war das Quadrivium,<br />

das die traditionellen Fächer Arithmetik, Geometrie, Astronomie<br />

<strong>und</strong> Musik umfaßte; in <strong>Weigel</strong>scher Terminologie, die das zeitgenössische<br />

Bemühen um die Muttersprache erkennen läßt, waren das die Zahl- <strong>und</strong><br />

Rechenkunst, die Meß- <strong>und</strong> Richte-Kunst, die Erd- <strong>und</strong> Himmelskunst,<br />

die Kling- <strong>und</strong> Harmoniekunst. <strong>Weigel</strong> äußerte des öfteren sein Bedauern<br />

darüber, daß diese aus der Antike überkommene Fächereinheit nur noch<br />

in rudimentärer Form in der bestehenden Schule anzutreffen sei, zumal gerade<br />

diese Lernbereiche die Voraussetzung aller „Weisheit der Natur <strong>und</strong><br />

Kunst als auch bürgerliche[r] Klugheit <strong>und</strong> Vorsichtigkeit“ 59 bildeten.<br />

Das St<strong>und</strong>enbudget der Schüler hatte einen beachtlichen Umfang, ohne<br />

als drückende Last empf<strong>und</strong>en zu werden, was <strong>Weigel</strong> der Tatsache<br />

zuschrieb, daß die Werk- <strong>und</strong> Tugendschule sich zugleich als eine „Freu-<br />

56 a. a. O., S. 80.<br />

57 Vgl. a. a. O., S. 144.<br />

58 a. a. O., S. 159.<br />

59 a. a. O., S. 67.

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