Erhard Weigel â 1625 bis 1699 - Astrophysikalisches Institut und ...
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Die Pädagogik <strong>Erhard</strong> <strong>Weigel</strong>s 43<br />
Niveau gesunken, die gewerbliche Produktivität stark beeinträchtigt <strong>und</strong><br />
die Lage der bäuerlichen Bevölkerung weithin trostlos. Neben der Wirtschaft<br />
lagen nicht minder Moral <strong>und</strong> Bildungswesen darnieder. In diesen<br />
widrigen Verhältnissen bestätigte sich wiederum die Erfahrung, daß eine<br />
extrem schwierige Konstellation in besonderem Maße herausfordern <strong>und</strong><br />
Innovationskraft freisetzen kann, weit mehr als das in Lebenslagen zu erwarten<br />
ist, die als geordnet <strong>und</strong> normal gelten. Eine ermutigende Perspektive!<br />
Einprägsam hat sie Johann Christian Friedrich Hölderlin verdichtet:<br />
„Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ 9 Zur Aktualisierung dieser<br />
Zuversicht ausdrückenden Sentenz bedarf es vorausblickender <strong>und</strong> verantwortungsbewußter<br />
Menschen; das 17. Jahrh<strong>und</strong>ert hat sie nicht zuletzt<br />
im pädagogischen Bereich hervorgebracht. Zu seinen prominenten Vertretern<br />
zählen die großen Didaktiker Wolfgang Ratke (1571–1635), Christoph<br />
Helwig (1581–1617), Joachim Jungius (1587–1657), Jan Amos Comenius<br />
(1592–1670) <strong>und</strong> Johann Balthasar Schupp (1610–1661). Im thüringischen<br />
Raum waren es die Reformer Johannes Kromeyer (1576–1643), der in der<br />
Weimarer Schulordnung von 1619 als erster die Schulpflicht einführte, <strong>und</strong><br />
der Gymnasialdirektor Andreas Reyher (1601–1673), der dem Gymnasium<br />
in Gotha ein attraktives Profil gab. Reyher erfüllte zudem den Auftrag Herzog<br />
Ernst des Frommen, einen modernen „Schulmethodus“ zu entwerfen,<br />
um auf dessen Gr<strong>und</strong>lage das Schulwesen des Landes zu erneuern. Zweifelsohne<br />
war auch <strong>Erhard</strong> <strong>Weigel</strong> ein herausragender pädagogischer Kopf<br />
<strong>und</strong> ein wichtiger Wegbereiter pädagogischer Reformen.<br />
Die Frage nach dem Pädagogen <strong>Weigel</strong> <strong>und</strong> nach seiner Pädagogik soll<br />
in vier Teilfragen aufgefächert werden: Die erste Teilfrage gilt der pädagogischen<br />
Motivation <strong>und</strong> dem pädagogischen Anliegen <strong>Weigel</strong>s; die zweite<br />
zielt auf den Modellcharakter seiner Kunst- <strong>und</strong> Tugendschule; die dritte<br />
Teilfrage dient der Erhellung der geistigen Gr<strong>und</strong>lagen seiner Pädagogik<br />
<strong>und</strong> zugleich dem Aufweis ihres perspektivischen Charakters; eine vierte<br />
soll die pädagogische Wirkungsgeschichte <strong>Weigel</strong>s erhellen, die sich durch<br />
Weiträumigkeit <strong>und</strong> Nachhaltigkeit auszeichnet.<br />
2 <strong>Weigel</strong>s pädagogische Motivation<br />
<strong>und</strong> sein pädagogisches Anliegen<br />
Mit der Frage nach der pädagogischen Motivation <strong>Weigel</strong>s <strong>und</strong> der damit<br />
verb<strong>und</strong>enen Genese seines pädagogischen Denkens soll zunächst der biographische<br />
<strong>und</strong> geistesgeschichtliche Horizont erschlossen werden. Anhalte<br />
9 Friedrich Hölderlins Werke. Hrsg. von Karl Justus Obenauer, Berlin o. J., 1. Bd.,<br />
S. 337.