Erhard Weigel â 1625 bis 1699 - Astrophysikalisches Institut und ...
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Die Pädagogik <strong>Erhard</strong> <strong>Weigel</strong>s 57<br />
den=Lehr=Schule“ 60 verstand <strong>und</strong> der Lehrer auch die Rolle eines „Ludimoderators“<br />
61 einnahm. Der Unterricht begann um sieben oder acht<br />
Uhr <strong>und</strong> dauerte <strong>bis</strong> elf Uhr, also drei oder vier St<strong>und</strong>en vormittags, der<br />
Nachmittagsunterricht erstreckte sich von 13 <strong>bis</strong> 18 Uhr, beanspruchte die<br />
Schüler also fünf St<strong>und</strong>en. Das war Ganztagsunterricht, der nur von der<br />
„Speiß- <strong>und</strong> Schlaffzeit“ 62 , die die Kinder in ihren Familien zubrachten,<br />
unterbrochen wurde. Das große Unterrichtsvolumen <strong>und</strong> der stabile Arbeitsrhythmus<br />
lassen <strong>Weigel</strong>s Behauptung plausibel erscheinen, daß bereits<br />
sechsjährige Kinder Leistungen erbrachten, die die der „untersten zwey<br />
Classen der gemeinen Schul“ 63 übertreffen. Derartige Ergebnisse hielt er<br />
für eine Schule selbstverständlich, die konsequent Frühförderung betrieb<br />
<strong>und</strong> eine variable <strong>und</strong> anregende Lehr-Lern-Praxis pflegte.<br />
Daß <strong>Weigel</strong>s pädagogischer Position das Attribut modern zugeschrieben<br />
werden muß, ist an allen Gr<strong>und</strong>sätzen erkennbar, die für seine Schule maßgeblich<br />
geworden sind <strong>und</strong> die nach seiner Auffassung gleichermaßen für die<br />
öffentliche Schule verbindlich werden sollten. Er forderte, der Lehrer solle<br />
kindorientiert denken <strong>und</strong> handeln, weil er aus Erfahrung wußte: „der Art<br />
der Kinder muß man folgen <strong>und</strong> dergleichen Mittel brauchen, wenn man sie<br />
gewinnen <strong>und</strong> zum guten angewehnen will“ 64 . Auch trat er dafür ein, der<br />
Erbauung <strong>und</strong> dem Spiel in der Schule Raum zu geben <strong>und</strong> die Lernanforderungen<br />
gemäß der Entwicklungsphase der Kinder zu dosieren. Bis zum<br />
5./6. Lebensjahr sollten die Kinder spielerisch lernen, in der Phase <strong>bis</strong> zum<br />
10./12. Lebensjahr gezielter Sinne <strong>und</strong> Geist üben, in der nächsten Phase<br />
<strong>bis</strong> zum 16./18. Lebensjahr sollte die Fähigkeit zu abstraktem Denken<br />
entwickelt <strong>und</strong> damit die Voraussetzung geschaffen werden, sich die alten<br />
Sprachen, aber auch eine moderne Fremdsprache anzueignen <strong>und</strong> zugleich<br />
den Unterricht in der Mathematik <strong>und</strong> den Realien zu intensivieren. Die<br />
Schule sollte sich keinesfalls mit der Mehrung des Wissens begnügen, vielmehr<br />
auch dazu verhelfen, die Tatkraft zu entwickeln. Er plädierte deshalb<br />
dafür, daß „die Lehr applicative angestellt“ 65 werde; der Schüler müsse<br />
erfahren, daß die Regeln „auch auf die moral-Verrichtungen gezogen, <strong>und</strong><br />
mit steten exercitien dergleichen Tugendhaffter Wirckungen die Tugenden<br />
ihm angewehnet werden“ 66 .<br />
60 a. a. O., S. 153.<br />
61 a. a. O., S. 175.<br />
62 a. a. O., S. 93.<br />
63 ebd.<br />
64 a. a. O., S. 61.<br />
65 a. a. O., S. 155.<br />
66 ebd.