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Erhard Weigel – 1625 bis 1699 - Astrophysikalisches Institut und ...

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<strong>Erhard</strong> <strong>Weigel</strong>s Zeit an der Universität Leipzig (1647 <strong>bis</strong> 1653) 83<br />

ruhen bekanntlich auf der Annahme, daß Planeten <strong>und</strong> Tierkreiszeichen je<br />

nach Konstellation verschiedenartigen Einfluß auf das menschliche Leben<br />

nehmen. Dem steht die Feststellung entgegen, daß die Zeit ein gleichbleibendes<br />

Kontinuum bildet, daß es also in der Natur keine qualitativ unterschiedliche<br />

Zeitfolgen geben kann. In seiner Dissertatio „De tempore“ stellt<br />

<strong>Weigel</strong> daher folgende Eigenschaften der Zeit fest: Erkennbarkeit (notissimus),<br />

allgemeine Gültigkeit (universalissimus), Gleichmäßigkeit (aequabilissimus)<br />

bzw. Stetigkeit (constantissimus). Ist die Zeit als eine Ganzheit<br />

zu betrachten, so existieren in ihr alle res naturales in der ihnen eigenen<br />

natürlichen Dauer <strong>und</strong> können nicht von außen, d.h. durch die Himmelsbewegung<br />

(motu coeli) beeinflußt werden. Eine Ganzheit, d.h. eine rein<br />

quantitative <strong>und</strong> objektive Größe, ist auch diejenige Zeit, in der die Planeten<br />

durch den Tierkreis laufen. Daher ist es nicht möglich, diese Zeit nach<br />

subjektiven Vorstellungen in unterschiedliche Qualitäten zu unterteilen 60 .<br />

Läuft also das Leben der Natur nach unabänderlichen, stetigen Gesetzen<br />

ab, so ist dagegen die geistige Welt, d.h. der Mensch, keinem unabwendbaren<br />

Fatum ausgeliefert; hätten nämlich die Astrologen recht, gäbe es gar<br />

keine Menschen. In diesem Freiheitspostulat folgt <strong>Weigel</strong> durchaus Müllers<br />

Position, aber er geht doch einen Schritt darüber hinaus: Der Spruch<br />

„Astra inclinant, non necessitant“ wird ausdrücklich abgelehnt: „Dieses<br />

sind ja nur vergebene Reden / warum solte uns Gott nicht selber durch<br />

sein Wort / sondern das Gestirn / botmäßig regieren?“ 61 Inwieweit <strong>Weigel</strong><br />

in dieser kritischen Auseinandersetzung mit der Astrologie bereits in<br />

Leipzig Ansätze zur Entwicklung seiner philosophiegeschichtlich wichtigen<br />

Lehre von der Unterscheidung zwischen den entia physica, also der Welt der<br />

Natur, <strong>und</strong> den entia moralia, also der Welt des menschlichen Handelns,<br />

legte, müßte noch näher untersucht werden 62 .<br />

Zeit formuliert habe. Außer in der gleich zu erwähnenden „Dissertatio de tempore“<br />

handelt <strong>Weigel</strong> auch in der Dissertatio Metaphysica posterior (mit dem Titel „De modo<br />

existentiae qui dicitur duratio“, Leipzig 1652) über die Zeit.<br />

60 „Quemadmodum scilicet unus numero est Zodiacus, quem septem Planetae, vel<br />

si plures etiam essent, motu suo describunt; ita etiam Tempus unum est, licet res in<br />

tempore sint diversae. Quod autem unum numero est, illud, quatenus tale, nequit in<br />

plura sibi inferiora, partesve subjectivas distingui.“ (De tempore [s. Anm. 34], § LVII).<br />

61 Himmels-Zeiger (s. Anm. 58), S. 63.<br />

62 Bei Samuel Pufendorf wird diese Unterscheidung eine Gr<strong>und</strong>lage seiner Naturrechtskonzeption<br />

bilden. Vgl. Horst Denzer: Moralphilosophie <strong>und</strong> Naturrecht bei Samuel<br />

Pufendorf. München 1972, S. 284 ff. (über den Einfluß <strong>Weigel</strong>s auf Pufendorf). Vgl.<br />

aber auch Wolfgang Röd: <strong>Erhard</strong> <strong>Weigel</strong>s Lehre von den entia moralia. In: Archiv<br />

für Geschichte der Philosophie, 51 (1969), S. 58–84. Nach Röd ging es <strong>Weigel</strong> mit der<br />

Unterscheidung von entia moralia <strong>und</strong> entia physica weniger um einer Unterscheidung<br />

von Sollen <strong>und</strong> Sein, sondern um eine Parallelisierung von moralischen <strong>und</strong> physischen<br />

Sachverhalten: Nicht nur die Natur ist von Gott nach Maß <strong>und</strong> Zahl, d.h. mathematisch

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