Grundwahrheiten des Christentums - Theologie heute
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430) in genialer Weise thematisiert, wenn er in bezug auf Gott in seinen „Confessiones“<br />
schreibt: „...inhorresco in quantum inar<strong>des</strong>co“ - „ich erschrecke vor Furcht in dem Maß, in<br />
dem ich entbrenne vor Liebe“. In dieser doppelten Haltung <strong>des</strong> Menschen gegenüber Gott<br />
verbindet sich die scheue Ehrfurcht mit der vertrauenden Liebe. Vor allem in den Psalmen hat<br />
sie einen unvergleichlichen theologischen und dichterischen Ausdruck gefunden. Der Psalter<br />
ist von allen biblischen Büchern, aber auch darüber hinaus von allen Büchern, die je geschrieben<br />
worden sind, das am meisten verbreitete Buch. Nicht von ungefähr ist es zum Gebetbuch<br />
der Menschheit schlechthin geworden.<br />
In der Verbindung der scheuen Ehrfurcht mit der vertrauenden Liebe gegenüber Gott zeigt<br />
sich die außergewöhnliche Spannweite der Anthropologie <strong>des</strong> Alten Testamentes und damit<br />
der Religion Israels, damit aber auch der Religion der Christen. Hier wird gelehrt, dass Gott<br />
fordert, aber zugleich gnädig ist gegenüber dem, der versagt, wenn dieser sein Versagen bekennt<br />
und umkehrt. Es ist die Frage, ob der Mensch selber dem Menschen in solcher Weise<br />
hätte gerecht werden können. Das Gottes- und Menschenbild, das daraus spricht, widerspricht<br />
ganz und gar der Erwartung <strong>des</strong> Menschen, es ist alles andere als fiktiv, eine solche <strong>Theologie</strong><br />
und Anthropologie hätte der Mensch schwerlich erfinden können.<br />
Die Verantwortlichkeit <strong>des</strong> Menschen erhält nähere Konturen im Dekalog, der uns in die älteste<br />
Zeit der Geschichte Israels zurückverweist. In ihm nimmt die Verantwortlichkeit <strong>des</strong><br />
Menschen konkrete Formen an. Es geht im Ethos <strong>des</strong> Dekalogs und im Ethos <strong>des</strong> Alten Testamentes<br />
überhaupt, um die anthropologische Grundaussage der Verantwortlichkeit <strong>des</strong><br />
Menschen vor Gott. Hier gibt Jahwe eine ethisch geprägte Ordnung, die an den Werten <strong>des</strong><br />
Guten und <strong>des</strong> Bösen orientiert und an den personalen Willen Gottes gebunden ist. Wie die<br />
Grundstruktur der alttestamentlichen Anthropologie auch im Neuen Testament ihre Gültigkeit<br />
hat, so ist der Dekalog auch das Grundgesetz <strong>des</strong> <strong>Christentums</strong>, wenn auch in vertiefter Form<br />
oder in einer gewissen Vervollkommnung. Im Dekalog wird die Moral in Gott verankert,<br />
wodurch das Handeln <strong>des</strong> Menschen eine ganz spezifische Qualität erhält. Darin begegnet uns<br />
eine Grundwahrheit auch <strong>des</strong> <strong>Christentums</strong>, die seit der Reformation allerdings (leider) ins<br />
Zwielicht geraten und mit manchen Missverständnissen belastet ist.<br />
Zunächst bezeugt der Dekalog, dass der Gott <strong>des</strong> Alten Testamentes der Hüter von Recht und<br />
Sitte ist, dass das Antlitz dieses Gottes ethisch geprägt ist und dass der Gott <strong>des</strong> Alten Testamentes<br />
dem Menschen eine ethisch geprägte Ordnung auferlegt, die letztlich als Nachahmung