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078 MORGEN<br />

Spektakel<br />

Apparat<br />

»The Devil’s Walk«<br />

Mute / GoodToGo<br />

Zittern / Heulen / Schau<strong>de</strong>rn<br />

Keinen Geringeren als Percy Shelley hat Sascha<br />

Ring als Galionsfigur erwählt, um sich<br />

auf seinem vierten Album immer noch weiter<br />

in vernebelte, vor atmosphärischer Aufladung<br />

knistern<strong>de</strong> schwarze Wasser vorzuwagen. »The<br />

Devil‘s Walk« ist nach einem Gedicht <strong>de</strong>s englischen<br />

Romantikers benannt und setzt die Segel,<br />

um die Küste <strong>de</strong>s heimischen Electrofrickellands<br />

weit hinter sich zu lassen und Kurs auf<br />

Befreiung zu nehmen: von Beats, Dance-Diktat,<br />

Computerfixiertheit und all <strong>de</strong>m Kram. Für<br />

dieses Abenteuer hat Ring mit Mute ein neues<br />

Label gefun<strong>de</strong>n, und er hat eine neue vierköpfige<br />

Band gegrün<strong>de</strong>t, in <strong>de</strong>r er, zumin<strong>de</strong>st auf <strong>de</strong>r<br />

Bühne, selbst einfach nur mehr Sänger und<br />

Gitarrist sein muss. Seine Thom-Yorke‘schen<br />

Heulerfrequenzen setzt er, <strong>de</strong>r erst vor ein paar<br />

Jährchen zum ersten Mal vor ein Mikrofon<br />

genötigt wur<strong>de</strong>, auf fast allen Stücken ein, als<br />

einzige Gesangsgästin lädt er Soap & Skin für<br />

ein Stück zum großen Gänsehautgipfel. Da<br />

schau<strong>de</strong>rt‘s einen fast noch schöner als beim<br />

leisen Romantiker-Rezitieren.<br />

Arno Raffeiner<br />

An<strong>de</strong>rs | Fahrenkrog<br />

»Two«<br />

Universal<br />

Nena / Nora / Pop-Trash<br />

Der in »Two« vollzogene<br />

Zusammenschluss von<br />

Mo<strong>de</strong>rn-Talking-Sänger<br />

Thomas An<strong>de</strong>rs und Musikproduzent<br />

Jörn Uwe<br />

Fahrenkrog-Petersen<br />

wirkt zunächst wie das<br />

Wun<strong>de</strong>nlecken zweier <strong>de</strong>utscher Popverlierer.<br />

Der eine schien sich nie aus <strong>de</strong>m Schatten von<br />

Dieter Bohlen spielen zu können, <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

kennen die Jüngeren zu seinem Pech nur aus<br />

<strong>de</strong>m YouTube-Vi<strong>de</strong>o »Grün<strong>de</strong> gegen Kokain<br />

Vol. 1«. Dabei ist ihr gemeinsames Album keineswegs<br />

die potenzielle Lachnummer. Eher<br />

eine inhaltlich belanglose, auf Zeichenebene<br />

aber gefährliche Erinnerung daran, wie nah<br />

<strong>de</strong>r vermeintlich coole Pop-Zeitgeist aktuell<br />

am Schrott gebaut ist. Wie sehr die Bewahrung<br />

<strong>de</strong>ssen, was Musikfans für popkulturelle<br />

Distinktion halten, mittlerweile ein Kampf<br />

um Millimeter gewor<strong>de</strong>n ist. Warum sollte<br />

dieses Album Hipster auch nicht erschüttern?<br />

Denn wem, wenn nicht An<strong>de</strong>rs | Fahrenkrog,<br />

gebührt das Recht, sich als legitime Übersetzer<br />

<strong>de</strong>s 80er-Sounds in die Jetztzeit zu inszenieren?<br />

Entsprechend konsequent wirft die Produktion<br />

<strong>de</strong>r zwölf Stücke mit Voco<strong>de</strong>r, Oktavbass und<br />

(zeitgemäßeren) Si<strong>de</strong>chaining-Effekten um sich.<br />

Eine bessere Plastik-Pop-Produktion als jene,<br />

die zuletzt die im Autoscooter festgeklebte Lady<br />

Gaga bekam, gelang so offenbar im Schlaf. Inhaltlich<br />

zelebriert <strong>de</strong>r unangenehm gesättigte<br />

Pump-Pop bekannte Pop-Allgemeinplätze. Alle<br />

dabei, auch <strong>de</strong>ine liebsten Vers-Freun<strong>de</strong> »No<br />

more tears on the dancefloor« und »I say black /<br />

You say white«. Diese Platte ist so <strong>de</strong>rmaßen<br />

middle of the road, dass <strong>de</strong>r Gegenverkehr sicher<br />

umgeleitet wur<strong>de</strong>. Konflikte? Spannungsbögen?<br />

Fehlanzeige. Aber eben auch keine Möglichkeit<br />

für arrogante Überheblichkeiten.<br />

An<strong>de</strong>rs | Fahren krog machen letzten En<strong>de</strong>s<br />

einfach nur eine Art Musik.<br />

Felix Scharlau<br />

Bernd Begemann<br />

»Wil<strong>de</strong> Brombeeren«<br />

Tapete / Indigo / VÖ 02.09.<br />

Rampensau / Hass / Wun<strong>de</strong>r<br />

Der elektrische Lie<strong>de</strong>rmacher<br />

ist keiner, <strong>de</strong>r ständig<br />

einer Neuerfindung<br />

bedürfte, Begemann ist<br />

eben <strong>de</strong>r beste mögliche<br />

Begemann: eine affektierte<br />

Rampensau, ein einfallsreicher<br />

Gitarrist, ein Erzähler mit sehr viel Text,<br />

ein Dokumentar. Seine Alben funktionieren<br />

wie kaum an<strong>de</strong>re nach einem Additionsprinzip:<br />

Eine gute Begemann-Platte ist eine, auf<br />

<strong>de</strong>r viele gute Begemann-Lie<strong>de</strong>r drauf sind,<br />

pfeif auf Konzepte. »Wil<strong>de</strong> Brombeeren« ist<br />

sogar sehr gut: »Beschädigt« ist eine schöne<br />

Schmerzepiso<strong>de</strong>, die an Songs wie »Ich kann<br />

dich nicht kriegen, Katrin« erinnert, »Dein<br />

Trottelfreund meint« ist mit wun<strong>de</strong>rbar triefen<strong>de</strong>m<br />

Hass vorgetragen. »Teil <strong>de</strong>r lebendigen<br />

Stadtteilkultur« ist dagegen ein eher nerviges<br />

Stück, das mit unmotiviertem Hipsterbashing<br />

und »Captain Future«-Namedropping wie ein<br />

Suchbild wirkt: Bin ich das, o<strong>de</strong>r sind das schon<br />

die an<strong>de</strong>ren? »Du wirst dich schämen für <strong>de</strong>inen<br />

Ziegenbart« aus »Jetzt bist du in Talkshows«<br />

besaß da mehr gesellschaftspolitische Relevanz.<br />

Unterm Strich: »Wil<strong>de</strong> Brombeeren« hat man<br />

als verlässlich gutes Album erwartet, und es ist<br />

sogar ein bisschen besser gewor<strong>de</strong>n.<br />

Michael Weiland<br />

Beirut<br />

»The Rip Ti<strong>de</strong>«<br />

Pompeii / Indigo<br />

indie / Sonnen / melancholie-pop<br />

Zu Beirut a.k.a. Zach Condon<br />

muss man eigentlich<br />

nichts mehr sagen. Längst<br />

gehört <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Presse<br />

einst als Wun<strong>de</strong>rkind<br />

gefeierte Musiker zu <strong>de</strong>n<br />

Indie-Lieblingen, <strong>de</strong>r<br />

alle vereint – so wie auch Belle & Sebastian<br />

im Indie-Pop o<strong>de</strong>r Michael Jackson und die<br />

Beatles im Mainstream-Pop. Aber jetzt genug<br />

aus <strong>de</strong>m Fenster gelehnt, die schlechte Nachricht<br />

vorweg: Auf »The Rip Ti<strong>de</strong>« gibt es nur<br />

wenig Überraschungen. Und die gute Nachricht:<br />

wur<strong>de</strong> bereits genannt: Beirut machen das,<br />

was sie am besten können: schwelgerischen<br />

Pop in Folk-Tradition mit <strong>de</strong>r tollsten Instrumentierung<br />

<strong>de</strong>r Welt. Trotz<strong>de</strong>m gilt es ein paar<br />

Dinge festzuhalten: Ein bisschen mo<strong>de</strong>rner<br />

und aufwendiger im Sound ist das Album, ein<br />

bisschen mehr Pop als zuletzt – gleichzeitig<br />

aber auch intimer. Außer<strong>de</strong>m ist es, obwohl im<br />

Winter aufgenommen, sehr sonnig gewor<strong>de</strong>n<br />

und strahlt eine Wärme aus, <strong>de</strong>r unmöglich zu<br />

entkommen ist. Fans und Musikpresse wer<strong>de</strong>n<br />

das Album wie immer abfeiern. Es bleibt ihnen<br />

gar nichts an<strong>de</strong>res übrig.<br />

Manuel Czau<strong>de</strong>rna<br />

Big Talk<br />

»Big Talk«<br />

Epitaph / Indigo<br />

Cabriofahrt / Dosenstechen /<br />

80s-Rock<br />

Ronnie Vannucci hat das<br />

Trommeln bei The Killers<br />

nicht mehr genügt. Zu viele<br />

I<strong>de</strong>en seien unvollen<strong>de</strong>t,<br />

ließ er kolportieren. Da<br />

muss man doch was machen.<br />

Zum Beispiel ein Soloalbum.<br />

Big Talk ist <strong>de</strong>r Name dafür, als Band,<br />

als Albumtitel. Und Vannucci weiß, wie hart <strong>de</strong>r<br />

erste Satz treffen muss: »It‘s not too early for<br />

whiskey.« Okay, zugegeben ein harter Punch<br />

zu einem Song, <strong>de</strong>r die James-Dean-Bradfield-<br />

Gitarre quengeln lässt und schmutzige 80s-<br />

Rock-Fantasien bedient. Ein absur<strong>de</strong>r Umstand,<br />

<strong>de</strong>r einen im Laufe dieses Albums noch häufiger<br />

ins Grübeln bringt. Macht <strong>de</strong>r das absichtlich?<br />

Seine Lieblingskünstler seien doch Tom Waits<br />

und die Talking Heads, Tom Petty & The Heartbreakers.<br />

Einzig die astreine Perfektion bei <strong>de</strong>m,<br />

was er da tut, mag <strong>de</strong>m gerecht wer<strong>de</strong>n. Musikalisch<br />

wurzelt »Big Talk« im feuchten Bo<strong>de</strong>n,<br />

auf <strong>de</strong>m unzählige Teenager-Komödien gedreht<br />

wur<strong>de</strong>n und irgen<strong>de</strong>iner eben <strong>de</strong>n Job übernehmen<br />

muss, die Cabriofahrt Richtung Sommerferien<br />

mit einem überdrehten Stück Musik zu<br />

untermalen. Vannucci ist dieser Mann. Ach,

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