Als PDF herunterladen (41.95 MB) - Intro.de
Als PDF herunterladen (41.95 MB) - Intro.de
Als PDF herunterladen (41.95 MB) - Intro.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Morgen 095<br />
Chi L‘Ha<br />
Visto<br />
Die Suche nach vermissten<br />
Verwandten stellt die Frage:<br />
Wo bist du? Claudia Rorarius<br />
zeigt, wie man sie kunstvoll<br />
beantwortet.<br />
»<br />
Bitte mel<strong>de</strong> dich« war eine frühe Form<br />
<strong>de</strong>r Reality-Doku im <strong>de</strong>utschen Fernsehen,<br />
Kai Pflaume trieb das Format später<br />
mit »Nur die Liebe zählt« auf die Spitze.<br />
Die Fotografin und Filmemacherin Claudia<br />
Rorarius ehrte die I<strong>de</strong>e, in<strong>de</strong>m sie das italienische<br />
Pendant, »Chi L‘Ha Visto« heißt dort die<br />
Herzschmerzshow, zum Filmtitel erhob. Erzählt<br />
wird die Geschichte eines 25-jährigen Deutsch-<br />
Italieners, <strong>de</strong>r in Italien seinen leiblichen Vater<br />
sucht. Ein Spielfilm im dokumentarischen Stil.<br />
Der Schauspieler Gianni Meurer spielt die Figur<br />
Gianni Meurer, die man aber immer ein<br />
wenig für <strong>de</strong>n Protagonisten einer Doku hält.<br />
Vielleicht könnte man »Chi L‘Ha Visto« ein<br />
fiktionaldokumentarisches Roadmovie nennen.<br />
Gianni lernt unterwegs Paul (Paul Kominek)<br />
kennen. Die bei<strong>de</strong>n kommen sich näher – doch<br />
auf einmal ist Paul weg. Der Grund dafür fin<strong>de</strong>t<br />
seine Auflösung in Rom, wo auch die Sendung<br />
aufgezeichnet wird.<br />
Darsteller Paul Kominek ist in seinem Nicht-<br />
Film-Leben übrigens als Turner für Electropop-<br />
Stücke und mit seinem an<strong>de</strong>ren Projekt Pawel<br />
für Minimal bekannt. Paul und Gianni spielen<br />
nicht nach Drehbuch, es ist nur ein Rahmen<br />
vorgegeben – <strong>de</strong>r Rest wird improvisiert. Ebenso<br />
schön wie ihr Schauspiel sind die Italien-Bil<strong>de</strong>r<br />
anzusehen, die Rorarius in Zusammenarbeit<br />
mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Schnitt-Legen<strong>de</strong> Bettina<br />
Böhler montiert hat.<br />
Inga Selck<br />
— »Chi L‘Ha Visto – Wo bist du« (D 2009; R: Claudia<br />
Rorarius; D: Gianni Meurer, Paul Kominek;<br />
Kinostart: 18.08.)<br />
Le Havre<br />
Aki Kaurismäki hat <strong>de</strong>n finnischen Humor in<br />
die Welt getragen – und beweist zum x-ten Mal,<br />
wie welthaltig sein spezieller Witz ist.<br />
In Helsinki kann man am Flughafen<br />
Rentierfleisch in Büchsen<br />
kaufen, Markenname »Santa«.<br />
Das ist nur ein Beispiel für die<br />
Art finnischen Humors, für die<br />
Aki Kaurismäki quasi als <strong>de</strong>ren<br />
Goodwill-Botschafter steht. Der<br />
Regisseur verbin<strong>de</strong>t seine kauzigen<br />
Außenseiterballa<strong>de</strong>n gerne<br />
mit einer Skurrilität, die noch<br />
je<strong>de</strong> Alltagshandlung zu einem<br />
lakonischen letzten Gefecht<br />
macht. In dieser Hinsicht ist »Le<br />
Havre« konsequenter und gleichzeitig<br />
mil<strong>de</strong>r als sein bisheriges<br />
Schaffen. Der Film erzählt die<br />
Geschichte eines gescheiterten<br />
Schriftstellers (André Wilms),<br />
<strong>de</strong>r sich in <strong>de</strong>r französischen Hafenstadt<br />
verkrochen hat, um <strong>de</strong>n<br />
Rest seines Lebens als <strong>de</strong>mütiger<br />
Schuhputzer zu verbringen. Wie<br />
durchaus üblich im Kaurismäki-<br />
Universum, wird dieser Job als<br />
Quell philosophischen Langmuts<br />
dargestellt, <strong>de</strong>r seinem Protagonisten<br />
mittelfristig zu jener<br />
persönlichen Ausgeglichenheit<br />
verhilft, die ihm im bisherigen<br />
Berufsleben versagt blieb. Davon<br />
profitiert auch ein afrikanisches<br />
Flüchtlingskind, um <strong>de</strong>ssen<br />
Obhut sich <strong>de</strong>r Mann selbstlos<br />
kümmert. Zu Kaurismäkis wortkargem<br />
Witz passt dieser Twist<br />
überraschend gut. Trotz aller<br />
Träumerei ist sein Humor nicht<br />
dazu geeignet, etwas zu verharmlosen,<br />
son<strong>de</strong>rn tröstet tatsächlich<br />
an <strong>de</strong>r richtigen Stelle.<br />
Alexan<strong>de</strong>r Dahas<br />
— »Le Havre« (FIN/F 2011; R: Aki<br />
Kaurismäki; D: André Wilms, Kati<br />
Outinen; Kinostart: 08.09.)