092 Morgen HEIMSPIEL Alpinist »Lichtlaerm« / »Minus.Mensch« Southern / Soulfood Grenzen / Gewalt / Crust Alpinist aus Münster haben ihre bei<strong>de</strong>n, bisher nur auf Vinyl erhältlichen Platten zusammengepackt und auf CD veröffentlicht. Schon beim zweiten Song »Rogen» fragt man sich, wie man das bitte 21 Songs lang durchhalten wird. Düsterster Crust-Core, teilweise in absoluter Höchstgeschwindigkeit, wüten<strong>de</strong>s Geschrei und Gebrüll auf <strong>de</strong>r einen, verstören<strong>de</strong>, doomige Instrumentals auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite. Ein wirklich harter Brocken, <strong>de</strong>n Alpinist da zusammengezimmert haben. Dem man zu<strong>de</strong>m auch eine Entwicklung anmerkt: Der qualitative Schritt von »Minus.Mensch« (2009) zu »Lichtlaerm« (2010) ist, auch wenn die bei<strong>de</strong>n Veröffentlichungen zeitlich nah beieinan<strong>de</strong>r liegen, spürbar. Was bei<strong>de</strong> Alben aber eint, ist die energetische Art und Weise sowie die atemberauben<strong>de</strong> Dichte, mit <strong>de</strong>r Alpinist ihre Songs herausschleu<strong>de</strong>rn. David Winter Minor Mountaineer »Our Heads Still & Ablaze« Unter Schafen / Al!ve Indie-Folk / Beschei<strong>de</strong>n / Sehnsucht Dieses Sextett aus Köln blinkert vor allem mit einer prallen Instrumentierung. Das Schlagzeug gibt die Marschrichtung vor; das Akkor<strong>de</strong>on freut sich. Glockenspiel und Geige tänzeln vergnügt zum Trompetentrara, und die Akustikgitarre tröstet ein leise weinen<strong>de</strong>s Piano. Über allem schwebt die angenehm unaufdringliche Stimme von Bastian Suhr – selbstbewusst und luftig. Anbie<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>s Emo-Gesäusel? Weit gefehlt! Überbor<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Selbstmitleid? Nicht unsere Tasse Tee, <strong>de</strong>nken sich Minor Mountaineer und nehmen dich lächelnd an die Hand. Die Band schürt ein Indie-Folk-Feuer, das glüht und wärmt, statt schnell auszubrennen. Neun beschei<strong>de</strong>ne Songs, die wissen, was sie können. Beson<strong>de</strong>rs bemerkenswert und schön sind die Momente, wenn die Harmonien ins Schräge umknicken und mit Leichtigkeit die Balance zwischen zarter Melancholie und ausgelassener Lebensfreu<strong>de</strong> halten. Weakerthans‘sche provinzielle Weltoffenheit trifft auf Hardcore‘eskes Timbre trifft auf Buffalo-Tom‘sche Sehnsuchtsmelodien. Ein Lieblingsalbum für diesen, <strong>de</strong>n nächsten und ein paar weitere Sommer. Denise Schynol Sankt Otten »Gottes Synthesizer« Denovali / Cargo Vater / Sohn / Heiliger Strohsack Over the top ist, wenn man trotz<strong>de</strong>m glaubt. Wenn jemand namens Sankt Otten ein Album »Gottes Synthesizer« nennt und das Werk, umhüllt von Kardinalspurpur, urbi et orbi verbreitet, dann haben wir es nicht mit Geschmack zu tun, son<strong>de</strong>rn mit Haltung. Meinen die das ernst? Ketzerische Frage. Der Spiritualismusdrang <strong>de</strong>utscher Weihrauch- Elektroniker ist mit diesem Konzeptkunstwerk auf je<strong>de</strong>n Fall bestens eingefangen, affirmiert und karikiert zugleich. Aber zu <strong>de</strong>n klanglichen Fakten: »Gottes Synthesizer« klingt in <strong>de</strong>n Ohren von Stephan Otten und Oliver Klemm aus Osnabrück wie Electro-Shoegaze, nur ohne diese Ich-hau-dich-nie<strong>de</strong>r-Wucht, also eher wimpy, dreamy, atmosphäry. Man könnte das Ganze als eine Art Ulrich Schnauss für Arme beschreiben, was mithin be<strong>de</strong>utet: mit reicherer Vorstellungskraft. Und die kommt ganz gut. Man muss ja nicht gleich ans Jenseits und die ewige Verdammnis <strong>de</strong>nken. (Tipp für Genießer: Die Stücktitel langsam auf <strong>de</strong>r Zunge zergehen Kostprobe: »Halleluja, German Angst«.) Arno Raffeiner Fred Schreiber »Das groSSe Komplott« Problembär / Broken Silence Humor / Österreich / Hintersinn Aus Grün<strong>de</strong>n, die an an<strong>de</strong>rer Stelle geklärt wer<strong>de</strong>n müssen, ist die öffentlichrechtliche TV-Humorlandschaft <strong>de</strong>s kleinen kotelettförmigen Lan<strong>de</strong>s Österreich (»Willkommen Österreich«, »Wir sind Kaiser», »Sendung ohne Namen«) <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen in vielerlei Hinsicht überlegen. Unter an<strong>de</strong>rem und seit über zehn Jahren dafür verantwortlich: <strong>de</strong>r Autor und Mo<strong>de</strong>rator Fred Schreiber, <strong>de</strong>r nun mit »Das große Komplott« ein Singer/Songwriter-Pop- Album veröffentlicht, das auf <strong>de</strong>n ersten Höreindruck angenehm, abwechslungsreich und nur scheinbar etwas harmlos daherkommt. Die Produktion aus <strong>de</strong>m Studio von Naked Lunch in Kärnten konzentriert sich auf <strong>de</strong>n Sound von Gitarre, Schlagzeug, Bass, etwas Orgel und Ennio-Morricone-Trompeten, darüber singt Schreiber mit seiner warmen Erzählerstimme hintersinnige, lakonische und sarkastische Texte. Über die Lüge <strong>de</strong>s Rock‘n‘Roll, die Schwierigkeiten und Verlockungen <strong>de</strong>s Zurechtfin<strong>de</strong>ns im bürgerlichen Leben und die Überzeugung, dass früher wirklich alles besser war. Leiwand! Benjamin Walter KURZE A Forest »A Square EP« Analogsoul Was zwischen Electro und Autorentätigkeit alles noch möglich ist, <strong>de</strong>utet nach Bodi Bill und Hundreds auch ein an<strong>de</strong>res Trio namens A Forest aus <strong>de</strong>m Umfeld <strong>de</strong>s Leipziger Labels Analogsoul an. Hochkomplex und doch malerisch, treibend und gleichzeitig gelassen. Ein echter Tipp für sehr viel mehr. Grafstrøm »Grafstrøm« Petite Unique Die Kids tanzen in Stadt und Land zu Electro-Punk. Das zeigen die Acts von Audiolith, das zeigen immer mehr auch Bands an <strong>de</strong>n Fransen <strong>de</strong>r Szene. Wie Grafstrøm aus Leipzig. Einfach, gera<strong>de</strong>heraus, live vielleicht eine Bombe. Luke »EP« Miyagi Records Viele Bands heißen Luke, diese aus Hamburg ist aber beson<strong>de</strong>rs gut: sehniger Postcore, Emo wie die Alten, ohne die optischen Insignien, dafür mit allen Sinnen direkt in die vier Songs. Schon mal super und mal sehen, wie das weitergeht. September Leaves »Friendship Manifesto« Brühl Records Achtung, <strong>de</strong>r hier kann was: Gerd M. Böttler spielt eine Menge Instrumente, kann gut singen und sogar richtig schön arrangieren. Ein Talent im kleinen und großen Aufzug, ähnlich <strong>de</strong>n Beiruts und Get Well Soons dieser Welt. <strong>Intro</strong> bist du! Sen<strong>de</strong>t Eure Musik an: <strong>Intro</strong> (Redaktion Heimspiel) Venloer Straße 241-245 50823 Köln heimspiel@intro.<strong>de</strong>
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