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werkstatt
Das Runde muss ins Eckige
Bei anderen sieht man die Fehler, die bei einem selbst im Blinden Fleck verschwinden. Daher
wäre es gerade dann sinnvoll, seine Außendarstellung von Dritten prüfen zu lassen, wenn
das, was man verkaufen will, in der eigenen Kommunikation einen Realitätscheck erlebt.
Text _ Antje Terhaag
Die Grenze wird von jedem Menschen
anders gesteckt, und mitunter würden
UN-Blauhelmtruppen gute Dienste tun,
wenn sie in die Auseinandersetzungen
um den persönlichen Geschmack vermittelnd
eingreifen würden. Insofern
sind meine Anmerkungen hier nicht
mehr als eine dieser vielen Linien auf
dem Geschmacksglobus, auch wenn ich
meine Einstellung mit Vehemenz vortrage.
Insbesondere dann, wenn jemand
versucht, alles richtig zu machen, und
in meinen Augen dann am Detail
scheitert – und an meinem persönlichen
Geschmack.
p Die
Ausgangslage
Die Aussendung von
Wölfer Druck+Media
ist so ein Fall. Man
bemüht sich, einen
roten Faden durch das
Mailing zu spinnen und
gibt auch gleich ein Beispiel
seiner Arbeit, was
bei einem Druck- und
Medienhaus ja zwangsläufig
der Fall ist, wenn
es etwas Gedrucktes
verschickt. Fangen wir
daher beim Kuvert an:
Eine sehr breit grinsende
junge Frau sieht
über das Adressfenster
zu mir herab. Was ist
ihre Aufgabe? Soll sie für
die erotische Auf ladung
sorgen, Sympathie
erzeugen? Man weiß
es nicht. Das Logo fügt
sich in eine Grafik, die
ich durchaus interpretieren
kann: Die Kreise
für die Zylinder und
Trommeln der Druckmaschinen,
die Farben
für, na ja, die Farben,
und die Guillochen für
die Präzision. Warum
aber wird das Ganze in der Briefmarke
wiederholt? Egal.
Das Anschreiben brennt in meinen
Augen. Das Logo arbeitet gegen meinen
persönlichen Geschmack. Mir ist das zu
voll, zu uneinheitlich. Die Punkte über
dem »Ö«, die vielleicht eine Besonderheit
in einem grauen Endlosdruck
darstellen, übernehmen die Gewalt
über mein Gehirn, das nun nicht
mehr in der Lage ist, die vier Rauten
zwischen »Druck« und »Media« als ein
»+« zu lesen. Da braucht es ein »WÖL-
FER DRUCK + MEDIA« im Text, um den
Groschen fallen zu lassen. Das ist – für
meinen Geschmack – zu bemüht, wird
aber noch übertroffen von der schrägen
Endlosangabe von Daten, die ich nur
auf Rechnungen drucken würde, nicht
aber auf ein Anschreiben. Dieses Ungetüm
nimmt nun so viel Platz ein, dass
es unmöglich ist, den Raum links
und unterhalb frei zu lassen. Die vage
Datumsangabe hängt nun mit dem
Absenderkürzel unter dem SWIFT-Code
und soll möglicherweise feinsinnig wirken.
Es folgen ein Wust in Kursiv und
Verwirrung in Fett.
»Kommunikation mit mehr Medien
geben mehr Möglichkeiten.« Das wäre
nicht einmal dann ein deutscher Satz,
wenn das »geben« ein »gibt« wäre.
Er öffnet mehr Möglichkeiten, bietet,
liefert, verschafft, verspricht, all das
– nur kein »gibt«. »…aus dieser Perspektive
haben wir stetig unser Dienstleistungsportfolio
erweitert, um für
Sie immer einen Sprung voraus zu
sein.« Bezieht sich »diese Perspektive«
nun auf die grammatikalisch bemerkenswerte
Überschrift, so kann der
»Sprung voraus« nurmehr bedeuten,
24 www.acquisa.de 06/2013