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praxis-scout Bernina reloaded Aufgabe | Um neue Kundinnen zu erreichen, interpretierte der Schweizer Nähmaschinenhersteller Bernina seine Marke neu. Lösung | Die neue Markensprache ist jünger, direkter und emotionaler. Sie wird in allen relevanten sozialen Netzwerken an die Frau gebracht. Mit großem Erfolg. Text _ Stephanie Streif Die Bernina 830 kann einfach alles: Der automatische Nadeleinfädler macht das Einfädeln in nur einem Arbeitsgang möglich, ein drehbarer Garnrollenhalter für drei Rollen mit Teleskopstange sorgt für optimalen Fadenablauf, und dank einer ausgetüftelten Technologie, die die Stoffe auch mal schräg unter der Nadel transportiert, ist sogar das 360-Grad-Richtungsnähen kein Problem mehr. Die Bernina 830 ist eine mit High-Tech gespickte Nähmaschine und darum fast so teuer wie ein Kleinstwagen. »Sie ist der Hammer«, schreibt Bärchenheike auf Quilt-Glueck.de. »Einfach traumhaft.« Und das obwohl der Fadenschneider nicht jedes Mal tut, wie er tun soll. Bärchenheike kümmert das nicht. Sie ist begeistert. Die Bernina 830 sowie 14 weitere Maschinen und jede Menge Nähfüßchen, Stickmotive und Software kommen aus Steckborn in der Schweiz. Dort steht die Bernina International AG, ein nicht an der Börse notiertes, unabhängiges Familienunternehmen, das hochwertige Güter und Dienstleistungen für den textilen Markt, in erster Linie Haushaltsnäh- und Sticksysteme sowie nähverwandte Produkte vertreibt. Bernina nimmt für sich in Anspruch, Innovationsführer zu sein. Allein auf die in der Bernina 830 integrierte Technik, in deren Entwicklung das Unternehmen in sechs Jahren über 50 Millionen Franken (40,7 Millionen Euro) investierte, wurden 15 Patente angemeldet. Der Konkurrenz – darunter Branchengiganten wie die SVP Worldwide Group mit den Marken Pfaff, Singer und Husqvarna Viking – wolle man immer zwei, drei Stiche voraus sein, so Matthias Fluri, Marketing Manager bei Bernina International. »Wir sind zwar vergleichsweise klein, aber im High-End-Bereich mit der wichtigste Player.« Der Superlativ steckt schon im Firmennamen: Der Piz Bernina ist der höchste Gipfel der Ostalpen, nach ihm hat Fritz Gegauf, der Sohn von Firmengründer Karl Friedrich Gegauf, im Jahr 1932 die erste Haushaltsnähmaschine des Unternehmens benannt. Damals hieß dieses noch Fritz Gegauf AG. Mit der ersten Bernina kam auch der Erfolg. Heute gehören zu dem im Jahr 2006 in Bernina International AG umbenannten Schweizer Nähmaschinenbauer zwei Werke – eines in Steckborn, das andere in Thailand – sowie zwölf Tochtergesellschaften, davon acht Ländergesellschaften. Zwei, drei Stiche voraus Aus der Nische heraus machte Bernina International im Jahr 2012 einen Umsatz von 176 Millionen Schweizer Franken (143 Millionen Euro), 60 Prozent davon in den USA. »Gegenüber Vorjahr verzeichnen wir ein Plus«, so Fluri. 50 www.acquisa.de 06/2013
Fotos: Bernina Im Jahr 2010 habe Bernina allerdings mehr Umsatz gemacht. Kreative Selbstverwirklichung Bernina ist der einzige Nähmaschinenhersteller, der noch in Europa produziert. Das Herkunftsland, die Schweiz, ist Teil der Firmenphilosophie, denn wie kaum ein anderes Land steht sie für Qualität und Präzision. »Das, was Bernina schafft, soll Generationen überdauern«, so Fluri. Anders als früher ist es heute nicht mehr nur die Oma, die nähend und stopfend an der Maschine sitzt, sondern es sind auch Mutter und Tochter. Seit fünf, sechs Jahren sei in der Branche ein Trend zum Selbermachen zu beobachten, so Fluri, »und selbstverständlich wollen wir daran partizipieren«. Heißt: Zu Berninas Zielgruppen gehören nicht länger nur die quiltenden Damen mittleren oder reiferen Alters, von den Steckbornern liebevoll »Barb« und »Linda« genannt, sondern auch »Amy«, die Studentin, die sich ihre Klamotten selber näht. Weil sie dann hipper sind als die bei H&M von der Stange. Aus der Nutznäherin von damals ist die Lustnäherin von heute geworden. Ein Trend, von dem auch E-Commerce-Portale wie Dawanda.de oder Etsy.com profitieren, dort wird Selbstgemachtes ausgestellt und verkauft. Vor drei Jahren hat sich Bernina dazu entschlossen, jünger zu werden. Erst einmal musste eine neue Markensprache her, die neben den »Lindas« und »Barbs« auch die »Amys« verstehen. Dazu spreche Bernina die Emotionen an, welche allen Näherinnen gemeinsam seien, so Fluri. »Einerseits die Leidenschaft, welche beim Anfertigen eigener Kleider, Quilts oder Dekorgegenstände im Spiel ist, andererseits den Stolz, welche die Schöpferinnen auf ihr Werk hegen. In Werbesujets werden diese Emotionen inhaltlich und gestalterisch verknüpft mit der Leistungsfähigkeit der Produkte aus dem Haus Bernina.« So wird seit dem Relaunch beispielsweise mit dem Motiv einer Frau in einem blauen Sommerkleid inseriert, p Strategie nÄHEN ALS lIFESTYLE Bernina International AG baut Nähmaschinen. Die Schweizer Firma ist vergleichsweise klein, gehört aber zu den technischen Innovationsführern der Branche. Auch in Sachen Marketing überlässt Bernina nichts dem Zufall. Mit einer neu kreierten Markensprache reagiert das Unternehmen auf eine immer heterogener werdende Zielgruppe. p Ausgangslage: Der Trend der kreativen Selbstverwirklichung bringt immer mehr Frauen, vor allem jüngere, an die Nähmaschine. Nun gehört nicht nur die quiltende Lady zu Berninas Zielgruppe, sondern auch die hippe Studentin. Doch wie die neue Zielgruppe ansprechen, ohne die alte zu vergraulen? p Strategie: Die Schweizer entwickeln eine neue Markensprache, die die technischen die dem Betrachter erklärt, dass für die Fertigung ihres Kleidungsstückes nicht nur vier Meter indische Seide und ein Schnittmuster nötig waren, sondern auch drei trübe Regentage und sieben Stücke von Omas Schokokuchen. Direkt unter dem Motiv ein Kasten mit Infos zu Bernina und der Bernina 530. Nicht nur in Zeitschriften wie dem Patchwork-Magazin, Cut, Burda oder der firmeneigenen Inspiration erzählt Bernina solche Minigeschichten, sondern auch in POS-Materialien wie Broschüren, Postern und natürlich auf der firmeneigenen Website, die jetzt sehr viel aufgeräumter wirkt als früher. Virtuelle Sogwirkung Auch der Fachhandel wurde auf das neue Markenbild eingeschworen. Um die Präsentation der Nähmaschinen am POS auf ein Niveau anzuheben, das der Marktpositionierung entspricht, entwickelte Bernina im Jahr 2011 ein flexibles Regalsystem mit Zusatzmodulen, das in jeden Laden passt und die Marke Bernina in Szene setzt. Im Jahr 2012 ließen sich 120 Händler, von denen die meisten neben Bernina auch andere Möglichkeiten einer Bernina-Nähmaschine doppelt verknüpft – erstens mit dem Näherlebnis selbst, zweitens mit dem Stolz, der beim Selbermachen entsteht. Die stark emotional aufgeladene Botschaft wird konsequent durchdekliniert – auf Visitenkarten und auf der Homepage, in Broschüren und Anzeigen sowie bei den Händlern. Parallel dazu erzeugt Bernina mit viel Präsenz in den sozialen Netzwerken eine virtuelle Sogwirkung, die immer mehr Userinnen auf die firmeneigene Website treibt. p Ergebnis: Noch wirkt sich Berninas Engagement nicht auf die Umsätze aus. Aber seine Online-Kundenkontakte konnte das Unternehmen durch seine virtuelle Umtriebigkeit auf allen Social-Media-Kanälen und seiner neuen serarch-engine-optimierten Website in nur drei Jahren nahezu verdoppeln. Marken führen, einen derartigen Shop im Shop einrichten. Im laufenden Jahr wurden bereits 60 Bestellungen abgewickelt. Bernina bezuschusst den Ausbau. Weiter eröffneten die Schweizer im September 2011 in Zürich einen Flagshipstore, der auch als Veranstaltungsort genutzt wird, um das Nähen zum Gemeinschaftserlebnis zu machen. Parallel dazu regt Bernina in eigenen Blogs und sozialen Netzwerken wie Facebook, Youtube oder Pinterest zum Austausch an. So viel virtuelles Engagement zahlt sich aus. Fluri ist sich sicher, dass dort jede Menge Traffic generiert wird, der auf Bernina.com landet. »Dank unserer neuen, inhaltreichen und Search- Engine optimierten Website sowie gezielter Bewirtschaftung aller relevanten Social-Media-Kanäle konnten wir im Jahr 2012 mehr als fünf Millionen Online-Kundenkontakte verzeichnen, also fast doppelt so viele wie im Jahr 2009.« Dass »Amy«, »Barb« und »Linda« stolz darauf sind, was sie an ihrer Nähmaschine alles schaffen, intensiviert das virtuelle Miteinander im Netz. Bernina weiß darum und mischt tüchtig mit. Aber vor allem auf. redaktion@acquisa.de • ] 06/2013 www.acquisa.de 51
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