Wissenschaftliche Arbeitsgruppe - Katholisch.de
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Deus ( Assemblies of God) hat in <strong>de</strong>n Ballungsräumen Brasiliens in <strong>de</strong>n Jahren 1910 und 1911 angefangen,<br />
in <strong>de</strong>nselben Jahren, in <strong>de</strong>nen die Arbeitskämpfe einer verzweifelten Arbeiterklasse begannen. Eine<br />
Kampagne <strong>de</strong>r Gewerkschaften gegen die Pfingstkirchen verzögerte jedoch diese Entwicklung. Als 1914<br />
die Zahl <strong>de</strong>r Streiks und das politische Gewicht <strong>de</strong>r Gewerkschaften abnahmen, konnten die Pfingstbewegungen<br />
einen langsamen Zuwachs verzeichnen. Erst nach <strong>de</strong>r Unterdrückung <strong>de</strong>r Arbeiterbewegung in<br />
<strong>de</strong>n 30er Jahren - <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Weltwirtschaftskrise - stieg die Zuwendung zu diesen religiösen<br />
Gemeinschaften dramatisch an (Rolim 1985:33 u. 79).<br />
Trotz Waldo Césars Annahme ist das Wachstum <strong>de</strong>s Pfingstprotestantismus in Lateinamerika aber nicht nur<br />
ein städtisches Phänomen. In Chile sind zwar die ersten Pfingstkirchen in <strong>de</strong>n Großstädten Valparaiso,<br />
Santiago und Concepción gegrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n. Doch bald haben sie sich in <strong>de</strong>n ländlichen Provinzen <strong>de</strong>s<br />
Sü<strong>de</strong>ns verbreitet, vor allem in <strong>de</strong>r Indianerprovinz Cautín. Dort herrschte das Kleinbesitzsystem<br />
(minifundio), das vor <strong>de</strong>m Großgrundbesitzsystem (latifundio) von <strong>de</strong>r Agrarkrise betroffen war. In <strong>de</strong>n<br />
Provinzen Curico, Maule und Talca mit ihrem latifundio-System konnten die Fundamentalisten erst später<br />
Fuß fassen, als die paternalistischen Arbeitsbeziehungen <strong>de</strong>r haciendas durch die Bildung von<br />
Landarbeitergewerkschaften in Frage gestellt wur<strong>de</strong>n (Lalive d’Épinay 1969:36).<br />
Auch in Brasilien sprossen Pfingstkirchen <strong>de</strong>r Assembléias <strong>de</strong> Deus ( Assemblies of God) zuerst aus<br />
<strong>de</strong>m fruchtbaren Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Ballungsräume (Belém), bevor sie ins Amazonasgebiet, ins Kaffeegebiet - in<br />
<strong>de</strong>n Sü<strong>de</strong>n Brasiliens - und dann ins Innere <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s stießen (Hollenweger 1969:83). Migrationsprozesse<br />
in ländliches Gebiet haben dort das Wachstum <strong>de</strong>r Pfingstkirchen erst ermöglicht.<br />
Das guatemaltekische Departement El Petén, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r größte protestantische Bevölkerungsanteil im<br />
spanischprachigen Mittelamerika lebt (41,8 Prozent), ist gleichzeitig <strong>de</strong>r Ort Zentralamerikas mit <strong>de</strong>r<br />
stärksten Zuwan<strong>de</strong>rungsquote (Schäfer 1992:24). Nach Schäfer sind vor allem solche Gebiete betroffen, „in<br />
<strong>de</strong>nen die Landwirtschaftsgrenze in unbewirtschaftete Regionen vorangetrieben wird und / o<strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>nschätze<br />
abgebaut wer<strong>de</strong>n; ebenso Regionen, in <strong>de</strong>nen die mo<strong>de</strong>rne kapitalistische Landwirtschaft in ihrer<br />
Frühphase (fünfziger Jahre) Arbeitskräfte brauchte“ (Schäfer 1992:23-24). Er fügt hinzu:<br />
„Trotz intensiver missionarischer Bemühungen um die indigene Bevölkerung<br />
seit <strong>de</strong>n zwanziger Jahren etwa durch die Iglesia Nezarena (Church of the<br />
Nazarene) in Alta Verapaz sowie die Iglesia Metodista Primitiva (Primitive<br />
Methodists) und später die Iglesia <strong>de</strong> Dios <strong>de</strong>l Evangelio Completo (Church of<br />
God, Cleveland) in Totonicapán und El Quiché konnte in diesen Departements<br />
kein durchschlagen<strong>de</strong>r Missionserfolg erzielt wer<strong>de</strong>n. Die Übersetzung <strong>de</strong>s<br />
Neuen Testaments in Mam (San Marcos) und Quiché (Quetzaltenango und El<br />
Quiché) durch die Missionare Burgess und Peck sowie die Übersetzung in<br />
Cakchiquel (Chimaltenango) durch Cameron Townsend, <strong>de</strong>n späteren Grün<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Wycliffe Bible Translators, dürften zur Verbreitung <strong>de</strong>s Protestantismus<br />
unter <strong>de</strong>n indígenas einiges beitragen haben. Es fällt allerdings auch auf, daß<br />
<strong>de</strong>r - erst viel später einsetzen<strong>de</strong> - <strong>de</strong>utliche Trend zum Wachstum <strong>de</strong>s<br />
Protestantismus unter <strong>de</strong>r indígenas Bevölkerung mit ihrer gleichzeitigen<br />
stärkeren Einglie<strong>de</strong>rung in kapitalistische Formen <strong>de</strong>r Agrarproduktion unter<br />
<strong>de</strong>n Mechanismen <strong>de</strong>r direkten und indirekten Subsumtion zusammenfällt“<br />
(Schäfer 1992:46).<br />
In Lateinamerika haben zu<strong>de</strong>m Agrarreformen das paternalistische haciendaro-System in Frage gestellt und<br />
so einen Freiraum für neue religiöse Erfahrungen eröffnet. Dies ist z.B. in <strong>de</strong>r ecuadorarianischen Provinz<br />
Chimborazo <strong>de</strong>r Fall gewesen. Auf diesem Hochland haben die zwei Agrarreformen von 1964 und 1973<br />
und die Abschaffung <strong>de</strong>s Pachtsystems (precarismos) 1970 die indios zu Privateigentümern von kleinen<br />
Grundstücken gemacht. Diese Entwicklung unterminierte die Macht <strong>de</strong>r Großgrundbesitzer, die traditionell<br />
von <strong>de</strong>n katholischen Kirchen unterstützt wur<strong>de</strong>n, und brachte die alte Ordnung, die <strong>de</strong>n<br />
Großgrundbesitzern (serrano, terrateniente), <strong>de</strong>r katholischen Kirche und <strong>de</strong>n Lokalpolitikern (Teniente<br />
político) zugute kam, ins Wanken (Muratorio 1981:506-507; Santana 1987:99). Vorher waren in<br />
Chimborazo viele indios arme Landarbeiter, die sich oft gezwungen sahen, auszuwan<strong>de</strong>rn. Der