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Wissenschaftliche Arbeitsgruppe - Katholisch.de

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Die Frage, ob in Afrika das neue Gemeinschaftsgefühl das ethnische Selbstbewußtsein überschattet o<strong>de</strong>r im<br />

Gegenteil verstärkt, bleibt umstritten. Nach Sempebwa besitzen viele afrikanische spirituelle Kirchen einen<br />

transethnischen und nationalen Charakter: In <strong>de</strong>r African Israel Church in Kenya wer<strong>de</strong>n beim Gottesdienst<br />

die Sprachen <strong>de</strong>r zwei Ethnien Luo und Ragolu nebeneinan<strong>de</strong>r benutzt. Sempebwa bemerkt weiter, daß die<br />

Church of the Lord (Aladura), die unter <strong>de</strong>n Yoruba in Nigeria enstan<strong>de</strong>n ist, jetzt auch in Ghana unter <strong>de</strong>n<br />

Fante, Ga und Ashanti, in Liberia unter <strong>de</strong>n Bassa und <strong>de</strong>n ameriko-liberianischen Familienclans, in Sierra<br />

Leone unter <strong>de</strong>n Creole und <strong>de</strong>n Men<strong>de</strong>, in Togo, aber auch in London und New York zu fin<strong>de</strong>n ist. Auch<br />

die Christ Apostolic Church und die Cherubim and Seraphim-Bewegung in Nigeria haben sich in vielen<br />

afrikanischen und nicht-afrikanischen Län<strong>de</strong>rn verbreitet (Sempebwa 1991:418). Im Hinblick auf Soweto<br />

stellt Martin West fest, daß die Gemein<strong>de</strong>n fast aller Kirchen „quer durch ethnische und linguistische<br />

Bindungen gehen“. Sie seien daher „die wichtigsten Institutionen <strong>de</strong>s ,interethnischen Kontaktes‘“ (West<br />

1975:8; Krüger 1989:86). Dagegen behauptet Mbon, die meisten spirituellen Kirchen hätten noch eine<br />

starke ethnische Prägung. Er geht noch weiter, in<strong>de</strong>m er festzustellen glaubt, daß Ethnizität ein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r<br />

Faktor <strong>de</strong>r Adhäsion zu einer Gruppe bleibt:<br />

„... in Nigeria most members of the Aladura group of churches are Yorubas<br />

apparently because the Aladura churches have their origin among Yoruba ethnic<br />

groups. In fact, the membership of the Aladura group of churches is still largely<br />

Yoruba in terms of linguistic and cultural orientations. This may explain the<br />

fact that when the Aladura churches spread into non-Yoruba-speaking ethnic<br />

groups in Nigeria, their very first converts will invariably be Yorubas already<br />

living there, and it is Yorubas that will in time form the majority of the<br />

churches’ membership in those places“ (Mbon 1991:17).<br />

Mbon erwähnt auch die Musamo Christo Disco Church in Ghana, die vorwiegend im Bereich <strong>de</strong>r Fante<br />

geblieben ist, da ihr Grün<strong>de</strong>r, William Egyanka Appiah, aus dieser Ethnie stammte, und die Apostolic<br />

Revelation Society, die unter <strong>de</strong>n Ewe Zulauf fin<strong>de</strong>t, weil <strong>de</strong>r erste Prophet, Wovenu, ein Ewe war.<br />

Obschon die Pfingstkirchen „multi-rassische“ Organisationen sein wollen, haben sie sich in Südafrika<br />

<strong>de</strong>r Politik <strong>de</strong>r Rassentrennung angepaßt. Die Apostolic Faith Mission verbreitete sich unter <strong>de</strong>n Buren und<br />

zeigte immer <strong>de</strong>utlichere rassistische Ten<strong>de</strong>nzen. 1961 mußten im Zuge <strong>de</strong>r Apartheid-Politik die Assemblies<br />

of God in drei Abteilungen - für die Weißen, die Farbigen und die In<strong>de</strong>r - zerlegt wer<strong>de</strong>n (Oosthuizen<br />

1975:58). Diese Strategie be<strong>de</strong>utete für die Pfingstkirchen einen großen Ansehensverlust unter <strong>de</strong>r<br />

schwarzen Bevölkerung und begünstigte die Entstehung spiritueller unabhängiger Kirchen.<br />

In Lateinamerika wur<strong>de</strong>n einige evangelikale o<strong>de</strong>r pfingstliche indigene Kirchen zu wichtigen Orten<br />

<strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s gegen die Vorherrschaft <strong>de</strong>r Weißen und Mestizen, so die Mission <strong>de</strong>r Herrnhuter an <strong>de</strong>r<br />

Mosquito-Küste Nicaraguas o<strong>de</strong>r die Pfingstkirche <strong>de</strong>r Toba-indios in Argentinien. In <strong>de</strong>n meisten<br />

großen Pfingstbewegungen und evangelikalen Gruppen Lateinamerikas spielt aber die ethnische<br />

I<strong>de</strong>ntität keine beson<strong>de</strong>re Rolle. Die traditionelle - obgleich nicht gesetzlich festgelegte - Rassentrennung<br />

zwischen Weißen, Schwarzen, indios und Mestizen wird in diesen Religionsgemeinschaften sogar<br />

überwun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st in Frage gestellt. Muratorio erzählt beispielsweise von einem indigenen<br />

evangelikalen Pastor aus Chimborazo, <strong>de</strong>r während eines Gottesdienstes seine Zuhörer daran erinnerte, daß<br />

alle, Weiße, Quechuas, Mestizen und Schwarze, vor <strong>de</strong>m Gericht Gottes gleich sein wer<strong>de</strong>n (Muratorio<br />

1981:521).<br />

Die Sekten und NRMs als Protestbewegungen<br />

Wirtschaftliche und soziale Umbrüche sind zwar <strong>de</strong>r Nährbo<strong>de</strong>n für das Erstarken <strong>de</strong>r Sekten und <br />

NRMs. Sie reichen jedoch allein nicht aus, um dieses Phänomen völlig zu erklären: Die persönlichen<br />

Überzeugungen <strong>de</strong>r Sektengrün<strong>de</strong>r spielen ebenfalls eine sehr wichtige Rolle. Nach Angaben von Pater <strong>de</strong><br />

Saint Moulin fin<strong>de</strong>t man in <strong>de</strong>n zairischen Nationalarchiven 1.260 Akten über politische Verbannte, die<br />

zwischen 1910-1960 aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Prophetenbewegung durch die<br />

Kolonialherrschaft verurteilt wur<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n abgelegenen Verbannungsorten lebten oft neben <strong>de</strong>n<br />

Verbannten auch ihre ganzen Familien. Die meisten Verbannten waren Männer. Sie kamen aus <strong>de</strong>m<br />

Nie<strong>de</strong>ren Zaire und waren Anhänger <strong>de</strong>r politisch engagierten Bewegungen <strong>de</strong>s Mpadismus (Mission <strong>de</strong>s<br />

Noirs) und <strong>de</strong>s Ngounzismus. 10 Prozent wur<strong>de</strong>n zwischen 1940 und 1943 verbannt und 60,8 Prozent

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