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Wissenschaftliche Arbeitsgruppe - Katholisch.de

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die streng bibelfundamentalistischen Gruppen und die Missionskirchen mit Mutterkirchen im Westen?<br />

Sie halten zwar ihre bisherige Zurückhaltung gegenüber <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>r Ökumenischen Bewegung<br />

aufrecht, doch gibt es auch einige Zeichen einer allmählichen Annäherung <strong>de</strong>r Positionen: Der Adventist<br />

Beach schrieb schon 1973, es gebe viele Möglichkeiten <strong>de</strong>s „Austausches theologischer Auffassung“ und<br />

einer „gewissen Zusammenarbeit“ mit <strong>de</strong>m ÖRK. Adventistische Beobachter wer<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>n<br />

Zusammenkünften und Vollversammlungen <strong>de</strong>s ÖRK entsandt. Die Mennoniten kooperieren schon seit<br />

langem mit an<strong>de</strong>ren Konfessionen. Es stellt sich die Frage, ob das Scheitern <strong>de</strong>r Großi<strong>de</strong>ologien die negative<br />

Grundhaltung <strong>de</strong>r Evangelikalen gegenüber <strong>de</strong>r Ökumene und einer strukturellen Entwicklungshilfe<br />

korrigieren könnte. Die Befürchtung, die Entwicklungsarbeit <strong>de</strong>r „Progressisten“ wür<strong>de</strong> zur Verbreitung <strong>de</strong>s<br />

Kommunismus beitragen, kann nicht länger als Alibi dienen, um diese Tätigkeit abzulehnen. Es bleiben<br />

noch Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten über ethische Fragen (wie die Frage <strong>de</strong>s Schwangerschaftsabbruchs) und<br />

über die Frage <strong>de</strong>r ungerechten wirtschaftlichen bzw. politischen Machtstrukturen. Das Engagement <strong>de</strong>r<br />

„Progressisten“ für die Bewahrung <strong>de</strong>r Umwelt bzw. <strong>de</strong>r Indigenenkultur kann zu<strong>de</strong>m zu einem Zankapfel<br />

wer<strong>de</strong>n. Vor allem herrscht im religiösen „Supermarkt“ ein immer härterer Konkurrenzkampf, <strong>de</strong>r je<strong>de</strong> Art<br />

von Zusammenarbeit verhin<strong>de</strong>rn kann. Einige finanzstarke bibelfundamentalistische Hilfsorganisationen<br />

scheinen überhaupt nicht bereit zu sein, ihren „Marktanteil“ mit an<strong>de</strong>ren Institutionen zu teilen (Härpfer /<br />

Rafael 1991:19). Und <strong>de</strong>nnoch bleibt die Frage offen, ob und unter welchen Bedingungen ein für die<br />

Kooperation notwendiger Grundkonsens zu erreichen ist.<br />

Zweitens stellt sich die Frage, ob eine solche Zusammenarbeit wünschenswert ist. Die Sektenanhänger<br />

wer<strong>de</strong>n oft - und nicht ohne Grund - als bornierte Fanatiker bezeichnet. Wür<strong>de</strong> folglich nicht je<strong>de</strong> Art von<br />

Kooperation mit ihnen gegenaufklärerische Ten<strong>de</strong>nzen in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r südlichen Hemisphäre<br />

unterstützen? Wenn aber die Annahme Juliana Ströbele-Gregors stimmt, daß die <br />

bibelfundamentalistischen Gruppen nicht einfach Träger einer gegenaufklärerischen I<strong>de</strong>ologie sind, son<strong>de</strong>rn<br />

eher einer dialektischen gegenaufklärerischen „Aufklärung“, mit an<strong>de</strong>ren Worten, daß sie zwar ihren<br />

Anhängern eine Autoritätsfixiertheit vermitteln, aber auch gleichzeitig einen Sinn für Selbstverantwortung<br />

und Zweckrationalität geben, besteht dann nicht die Chance, daß eine Zusammenarbeit diesen Sinn für<br />

Selbstverantwortung weiterentwickeln könnte und so die Unterwerfungshaltung <strong>de</strong>r Sektenmitglie<strong>de</strong>r<br />

verän<strong>de</strong>rn könnte? Wäre es nicht zu<strong>de</strong>m für die Entwicklungsorganisationen angebracht, die für die<br />

Entwicklung so be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> puritanische Arbeitsethik, Überaktivität und selbstdisziplinierte Lebenshaltung<br />

<strong>de</strong>r Sektenanhänger wahrzunehmen? Und könnte es nicht sein, daß die Kampagne <strong>de</strong>r Sekten und NRMs<br />

gegen die Korruption <strong>de</strong>r Entwicklungsarbeit zugute kommen wür<strong>de</strong>?<br />

Schließlich sollte man sich fragen, welche Form eine solche Zusammenarbeit annehmen könnte. In<br />

Bereichen <strong>de</strong>r Bildungs- bzw. <strong>de</strong>r Gesundheitsarbeit, <strong>de</strong>r Beschäftigungs-, Handwerks- bzw.<br />

Kleingewerbeför<strong>de</strong>rung, <strong>de</strong>r Land- und Forstwirtschaft, Kreditsysteme, Rechtshilfe, Wasserversorgung und<br />

selbst <strong>de</strong>r Unterstützung von Bauernorganisationen o<strong>de</strong>r Genossenschaften sollte vielerorts <strong>de</strong>r Entwurf von<br />

Kleinprojekten in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Sekten und NRMs auf kirchengemeindlicher Ebene möglich<br />

sein. Die Entwicklungsarbeit sollte von <strong>de</strong>n Sektenanhängern getragen wer<strong>de</strong>n, nicht jedoch ihnen allein<br />

zugute kommen, son<strong>de</strong>rn auch ihren Mitmenschen. Problematischer dürfte allerdings die Kooperation auf<br />

<strong>de</strong>m Gebiet einer Entwicklungspolitik sein, die sich als Befreiungsprozeß versteht und die wirtschaftlichen<br />

bzw. politischen Strukturen zu verän<strong>de</strong>rn sucht. Unter welchen Bedingungen eine solche Politik für die<br />

Sektenmitglie<strong>de</strong>r akzeptabel sein könnte, bleibt noch offen.<br />

Konkreterweise wäre weiter zu untersuchen:<br />

Wie sind bereits durchgeführte gemeinsame Entwicklungsvorhaben von Großkirchen bzw. <strong>de</strong>r<br />

Ökumenischen Bewegung und Sekten abgelaufen? Welche praktischen Konsequenzen sind z.B. aus <strong>de</strong>m<br />

Scheitern vieler Projekte <strong>de</strong>r Kimbanguisten zu ziehen?<br />

Welche „Sekten“ o<strong>de</strong>r „etablierten Sekten“ wären zu einer <strong>de</strong>rartigen Zusammenarbeit bereit, und unter<br />

welchen Voraussetzungen?<br />

Inwieweit wären diese Religionsgemeinschaften bereit, die Entwicklungsarbeit von ihrer missionarischen<br />

Tätigkeit zu dissoziieren und eine systematische Evaluierung <strong>de</strong>r zusammen durchgeführten Projekte zu<br />

akzeptieren? Was sollte unternommen wer<strong>de</strong>n, um zu verhin<strong>de</strong>rn, daß die Pilotprojekte als Prestige-Objekte<br />

von ihrem ursprünglichen Ziel entfrem<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n?<br />

Wie wür<strong>de</strong> sich diese Zusammenarbeit und ihre Evaluierung mit <strong>de</strong>m Eliteanspruch vieler Sektenführer<br />

bzw. Sektenanhänger vereinbaren?<br />

Welche Erwartungen könnten die verschie<strong>de</strong>nen Projektträger - die Entwicklungshelfer einerseits und die<br />

Sektenmitglie<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rerseits - in solche Projekte setzen? Wür<strong>de</strong>n sich diese Erwartungen gegenseitig<br />

ausschließen o<strong>de</strong>r könnten sie im Gegenteil in irgen<strong>de</strong>iner Weise miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n?

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