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In der überarbeiteten Fassung vom März 2013 steht dort in Ziffer 8.7 unter der Überschrift „Selbsttötung“: „Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen, die Veröffentlichung von Fotos und die Schilderung näherer Begleitumstände“ (Deutscher Presserat, 2013). Der Pressekodex enthält damit, anders als etwa die Richtlinien des Schweizer Presserats (2012), auch in seiner Neufassung keinen expliziten Hinweis auf die Möglichkeit von Folgesuiziden nach Medienberichten über Suizide. Der Deutsche Presserat selbst hält die bestehenden Bestimmungen auch vor dem Hintergrund eines möglichen Werther-Effekts für ausreichend und sieht auch keine Notwendigkeit für einen ergänzenden Leitfaden, wie er z.B. für die die Berichterstattung über Amokläufe existiert (Grass, 2013). Tatsächlich böten die Formulierungen dem Presserat als oberstem Hüter des Pressekodex grundsätzlich genügend Spielraum, um die Passage im Sinne der Suizidprävention auszulegen. Durch seine Spruchpraxis zu beanstandeten Suizidbeiträgen[1] könnte der Rat auf die Interpretation des Pressekodex aktiv Einfluss nehmen, anhand der behandelten Fälle Grenzen ziehen und so Zeichen für die journalistische Arbeit setzen. Doch wie sieht die Spruchpraxis des Deutschen Presserats zur Suizidberichterstattung in Deutschland aus? Und welchen Stellenwert nimmt dabei der Werther- Effekt ein? Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, die Spruchpraxis des Deutschen Presserates zur Suizidberichterstattung von Zeitungen, Zeitschriften und journalistisch-redaktionellen Beiträgen im Internet erstmals systematisch zu untersuchen. Dazu wurden für den Zeitraum von 1985 bis 2012 in einer Vollerhebung mit Hilfe einer quantitativen Inhaltsanalyse alle Entscheidungen des Deutschen Presserates analysiert, die sich mit Beschwerden zur Suizidberichterstattung auseinandersetzen. Mit Hilfe dieser Analyse sollten zentrale Argumentationslinien in der Spruchpraxis des Deutschen Presserates herausgearbeitet werden. Der gewählte Untersuchungszeitraum war dabei identisch mit dem Zeitraum der verfügbaren Presserats-Entscheidungen in der Online-Datenbank des Deutschen Presserates (http://recherche. presserat.info/) zum Zeitpunkt der Untersuchung. Insgesamt wurden im Rahmen der Analyse 60 Entscheidungen des Deutschen Presserates zu eingegangenen Beschwerden zur Suizidberichterstattung untersucht. Die Begründung der Beschwerdeführer, die Stellungnahmen der betroffenen Redaktionen sowie die Erläuterung des Presserates wurden jeweils im Hinblick auf ihre Argumentationslinien ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass sich die bisherige Spruchpraxis des Presserates zu beanstandeten Suizidbeiträgen in erster Linie auf die Persönlichkeitsrechte von Suizidenten und Angehörigen bezieht. Die Entscheidungen des Presserates folgen fast immer einem festen Muster, wobei regelmäßig zwischen den Rechten des Suizidenten, bzw. der Angehörigen oder Dritter und dem öffentlichen Informationsinteresse abgewogen wird. Der Presserat spricht vor allem dann scharfe Sanktionen aus, wenn die medialen Darstellungen eine Identifizierung von Suizidenten oder Angehörigen ermöglichen und es sich bei Betroffenen um nicht-öffentliche Personen, insbesondere um Minderjährige, handelt. Auch ethisch zweifelhafte Recherchemethoden werden mit Blick auf die Betroffenen vom Presserat regelmäßig beanstandet. Geben Angehörige von sich aus Informationen preis, fallen die Urteile des Presserates deutlich milder aus. Der Werther-Effekt als mögliche Folge der Berichterstattung spielt in den Begründungen des Presserates dagegen so gut wie keine Rolle. Zwar wird die Möglichkeit von Nachahmern durch allzu detaillierte Suizidberichte insbesondere nach der Jahrtausendwende von den Beschwerdeführern 30 I Book of Abstracts
immer häufiger aufgegriffen. In den Stellungnahmen der Redaktionen und den Begründungen des Presserates findet sich diese Argumentationslinie allerdings nicht wieder. [1] Ist eine Person (z.B. ein Leser oder ein Journalist) der Ansicht, ein Artikel verstoße gegen den Pressekodex, kann sie beim Presserat Beschwerde einreichen. Dieser prüft die Beschwerde und bittet das betroffene Medium bei begründeter Kritik um eine Stellungnahme. Kommt der Presserat nach Abschluss der Prüfungen zu dem Schluss, dass der Pressekodex von einem Medium in einem beanstandeten Fall nicht eingehalten wurde, kann er den Verstoß sanktionieren. Dabei hat er vier mehr oder weniger starke Sanktionsstufen zur Auswahl: die öffentliche und die nicht öffentliche Rüge, die Missbilligung und den Hinweis. Book of Abstracts I 31
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