Book of ABSTRACTS - Institut für Journalistik und ...

Eva Baumann, Elena Link & Hannah Früh
Offenheit und Intimität in Online-Communities: Unsicherheitsmanagement im
Kontext von Kinderwunsch und Schwangerschaft
Insbesondere für Erstgebärende ist die Schwangerschaft eine Lebensphase, die mit einschneidenden
biografischen Veränderungen und einer großen, sowohl positiv als auch negativ besetzten
Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft sowie hinsichtlich gesundheitlicher Risiken im
Schwangerschaftsverlauf verbunden ist. Unsicherheit entsteht in Situationen, die als diffus,
mehrdeutig, komplex oder unvorhersehbar wahrgenommen werden und in denen keine sicheren oder
nur inkonsistente Informationen verfügbar sind. Dadurch wird die Situation als nur bedingt oder gar
nicht kontrollierbar wahrgenommen (Brashers 2001). Ziel ist es dann, die diffuse Situation in eine
durch eigenes Handeln kontrollierbare Entscheidungssituation umzuwandeln und Diskontinuitäten der
Selbst- und Umweltwahrnehmung zu schließen (Atkin 1973; Dervin et al. 1982). Daher entwickeln
insbesondere Erstgebärende und Frauen mit Kinderwunsch ein ausgeprägtes Interesse an
schwangerschaftsrelevanten Themen und ein intensives Informationsbedürfnis (BZgA 2006). Dafür
stehen ihnen eine Vielzahl interpersonaler und medialer Informationsquellen und
Kommunikationspartner zur Verfügung. Neben dem Gespräch mit dem Arzt oder der Hebamme bietet
vor allem das Internet eine wichtige Orientierungsfunktion (Larsson 2009). Themenspezifische Online-
Foren ermöglichen einen Raum-Zeit-ungebundenen Dialog mit ‚Gleichgesinnten‘, in dem nicht nur
Informationen ausgetauscht, sondern auch soziale und emotionale Unterstützung erlangt werden
können (Zillien & Fröhlich 2008). Hierzu ist jedoch eine große Bereitschaft zur Selbstöffnung gegenüber
Fremden erforderlich: So wird man ohne eine sachbezogene Offenheit auch keine detaillierten und
konkreten Ratschläge erhalten, und ohne eine emotionale Selbstoffenbarung kaum empathische
Unterstützung in der Community erwarten können. Der Kommunikationsrahmen im Social Web
scheint dabei selbst bei öffentlichen Chats und Foren die Bereitschaft zur Offenheit und Preisgabe
intimer Details im Vergleich zur Face-to-Face-Situation zu erhöhen (Trepte & Reinecke 2011).
Daher formulieren wir folgende Forschungsfragen:
F1: Welche schwangerschaftsbezogenen Personenmerkmale erklären die Offenheit der UserInnen und
die Intimität des Diskurses im Forum?
F2: Inwiefern werden bei der Suche nach sachbezogenen Informationen auch Aspekte des intimen
Selbst preisgegeben?
F3: Welche Rolle spielt die Preisgabe intimer Details in Dialogen, in denen es um empathische
Anteilnahme geht?
Hierzu wurde eine quantitative Inhaltsanalyse von Beiträgen im Schwangerschaftsforum urbia.de
durchgeführt. Im November 2011 wurde ein ‚künstlicher’ Tag in einer ‚künstlichen Woche’ von
Diskussionen und Posts in den beiden meist genutzten Foren (Schwangerschaft, Kinderwusch)
definiert. Die Stichprobe umfasst 1.032 Posts. Für jeden der aktiven Diskussionsteilnehmer wurde
anhand des Nicknames zudem der Inhalt des Profils auf urbia.de erfasst (n=620). Die Reliabilität der
Codierung war über die zehn Codierer hinweg sehr zufriedenstellend (Holsti pro Kategorie ≥ .94).
Book of Abstracts I 45