Book of ABSTRACTS - Institut für Journalistik und ...
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Jürgen Grimm & Maria Emilia Rosenzweig<br />
Heilsamer Kitsch. Edukative Effekte der TV-Krankenhausserie "Der Bergdoktor"<br />
auf das Ges<strong>und</strong>heitsbewusstsein<br />
Krankheit ist ein angstassoziiertes Phänomen, das PatientInnen einerseits zu Vermeidungsstrategien<br />
<strong>und</strong> zur Anwendung therapeutischer Mittel herausfordert (Angst als Motivation <strong>für</strong> das<br />
Vorsorgeverhalten) <strong>und</strong> andererseits einen alltagstauglichen moderaten Umgang mit Angstprozessen<br />
gestatten soll (Knobloch-Westerwick et al., 2009). Im Hinblick auf Ges<strong>und</strong>heitskampagnen ist<br />
umstritten, inwieweit Furchtappelle die Effektivität medizinischer Informationsvermittlung fördern<br />
oder behindern (Peters et al., 2013). Ebenso unklar ist, wie angstbesetzte Ges<strong>und</strong>heitsthemen mit<br />
Hilfestellungen zur Angstbewältigung (Vitouch, 2000) kombiniert werden müssen, um zur Steigerung<br />
von Ges<strong>und</strong>heitskompetenz beizutragen. Miller (1987) hat ermittelt, dass Krankenhauspatienten in<br />
Abhängigkeit vom Angstbewältigungsstil eine unterschiedliche Informationsnutzung zeigen. So wollen<br />
sog. "Monitors" vor Operationen im Krankenhaus detailgenaue Fachinformationen, indes "Blunters"<br />
diese vermeiden <strong>und</strong> ablenkende Kommunikationen bevorzugen. Wünschenswert im Interesse einer<br />
zielgenauen Kampagnenführung wären Kommunikate, die zugleich "Monitoring" <strong>und</strong> "Blunting"<br />
ermöglichen <strong>und</strong> den Informationsfluss in beiden Gruppen garantieren. Krankenhausserien wie "Der<br />
Bergdoktor" (BD) versuchen nun durch romantische Settings (z.B. Liebesgeschichte des Arztes),<br />
kombiniert mit ges<strong>und</strong>heitsrelevanten Informationen eine solche Doppel-Codierung der gleichzeitigen<br />
Konfrontation <strong>und</strong> Vermeidung von Angst herzustellen. Es stellt sich die Frage, ob <strong>und</strong> inwieweit<br />
romantische Narrative in Krankenhausserien die Ges<strong>und</strong>heitskommunikation (Wissenstransfer <strong>und</strong><br />
ges<strong>und</strong>heitsförderliche Einstellungsbildung) tatsächlich befördern oder ob die Liebesgeschichte nicht<br />
vielmehr wegen ihrer ablenkenden Wirkung den edukativen Effekt reduziert. Die jüngere Forschung zu<br />
Entertainment-Education im Rahmen der Ges<strong>und</strong>heitskommunikation (Singhal/Rogers 2010) betont<br />
vielfältige Widerstandshandlungen des Publikums, das sich gegen <strong>of</strong>fensichtliche pädagogische<br />
Beeinflussungsversuche wehrt <strong>und</strong> aus "störenden" Botschaften, die in den Tiefen des Unterhaltungs-<br />
Settings verborgen sind, unerwünschte Schlüsse im Hinblick auf die Zielvariablen der<br />
Ges<strong>und</strong>heitskommunikation zieht. Im Folgenden werden Ergebnisse einer Studie vorgestellt, in der<br />
romantische Narrative beim "Bergdoktor" systematisch variiert <strong>und</strong> in ihrem Einfluss auf die<br />
Vermittlung ges<strong>und</strong>heitsrelevanten Wissens <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsförderlicher Einstellungen geprüft<br />
werden.<br />
Forschungsstand <strong>und</strong> Problemstellung<br />
Gut belegt ist, dass fiktionale Fernsehunterhaltung im Sinne des "Entertainment-Education" (EE) dem<br />
Publikum prosoziale Botschaften nahe bringen kann. Im Rahmen der sog. "Sabido Methode" (Barker,<br />
2005) wurden dramaturgische Regeln <strong>für</strong> Telenovelas entwickelt, deren Anwendung zu positiven<br />
Effekten beim Publikum im Hinblick auf Familienplanung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge führten. Durch die<br />
Art des dramatischen Aufbaus, die Einführung identifikationsträchtiger Figuren sowie den Einsatz<br />
fesselnder <strong>und</strong> informativer Narrative kann die Akzeptanz ges<strong>und</strong>heitsrelevanter Botschaften<br />
gesteigert werden (Gesser-Edelsburg/Singhal, 2013). Dazu wurden weltweit bestätigende Studien<br />
durchgeführt (Singhal/CodyRogers/Sabido, 2010). Für den deutschsprachigen Raum konnten<br />
Gassmann, Vorderer <strong>und</strong> Wirth nachweisen, dass die Krankenhauserie "Die Schwarzwaldklinik" den<br />
70 I <strong>Book</strong> <strong>of</strong> Abstracts