BOR_II-2013 - Wirtschaft aktuell online
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Erbschaftsteuer: Richtungswechsel möglich<br />
Deutschland wird mehr und mehr zum Land der Erben und Unternehmensnachfolger. Noch nie hat es in der Bundesrepublik eine höhere<br />
Anzahl und ein höheres Volumen an Erbschaften gegeben als 2012. In diesem Jahrzehnt erhalten die Bundesbürger 2,6 Billionen Euro<br />
aus Erbschaften. Was auf die künftigen Erben angesichts klammer öffentlicher Kassen zukommen könnte, verraten die Steuerfachwirtin<br />
Dorit Welberg und die Steuerberaterin Michaela Nienhuis von der Kanzlei Heisterborg und Partner aus Stadlohn in <strong>Wirtschaft</strong> <strong>aktuell</strong>.<br />
Wie aus einer Studie des Deutschen<br />
Instituts für Altersvorsorge hervorgeht,<br />
wird in den nächsten zehn<br />
Jahren 20 Prozent mehr Vermögen<br />
vererbt als in den Jahren zuvor. Der<br />
Grund liegt darin, dass nun eine Generation<br />
zu Erblassern wird, die in<br />
den „<strong>Wirtschaft</strong>swunderjahren“ damit<br />
begonnen hat, ihr Vermögen aufzubauen.<br />
Im Gegensatz dazu kassierte<br />
der Fiskus 2011 nach bisherigen<br />
Steuerschätzungen nur noch 4,2<br />
Milliarden Euro Erbschaftsteuer statt<br />
(geplanter) 4,7 Milliarden Euro. Die<br />
Einnahmen aus der Erbschaftsteuer<br />
fallen damit deutlich geringer aus als<br />
zum Beispiel die Einnahmen aus der<br />
Grunderwerbsteuer. Diese Tatsache<br />
ist vielen Politikern und dem Fiskus<br />
ein Dorn im Auge. Verschärft wird<br />
das Ganze zusätzlich dadurch, dass<br />
Bund und Länder in den vergangenen<br />
Jahrzehnten zwei Billionen Euro<br />
Schulden angehäuft haben. Die<br />
Wahrscheinlichkeit, dass die Politiker<br />
zu diversen politischen Instrumenten<br />
greifen, um zusätzliche Einnahmen<br />
aus dem Bereich der Erbschaftsteuer<br />
zu generieren, ist aufgrund der gesamten<br />
Situation sehr hoch.<br />
Somit spricht vieles für einen Richtungswechsel<br />
in der Politik bei den<br />
Bundestagswahlen im September<br />
<strong>2013</strong>. Die Parteien haben sich bereits<br />
jetzt weitestgehend dahingehend geäußert,<br />
neben der Wiedereinführung<br />
der Vermögenssteuer auch die Erbschaftsteuer<br />
zu erhöhen. Insbesondere<br />
die Steuerbegünstigungen für Firmenübertragungen,<br />
die es ermöglichen,<br />
Unternehmensvermögen nahezu steuerfrei<br />
zu übertragen, werden wohl bald<br />
der Vergangenheit angehören. Unternehmer<br />
müssen dementsprechend<br />
mit Steuererhöhungen beim Weiterreichen<br />
von Unternehmensvermögen<br />
an die Nachfolger rechnen. Auch im<br />
Hinblick auf die Entscheidung des<br />
Bundesfinanzhofes, dass die derzeitige<br />
Freistellung von Betriebsvermögen als<br />
„Überprivilegierung“ anzusehen ist,<br />
ist von einer Verschärfung der Erbschaftsteuer<br />
auszugehen. Auch aus<br />
diesem Grund liegt das zurzeit gültige<br />
Erbschaftsteuergesetz dem Bundesverfassungsgericht<br />
zur Prüfung auf Verfassungsmäßigkeit<br />
vor.<br />
Wie die unterschiedlichen Parteien<br />
Nach der Bundestagswahl gibt es voraussichtlich andere Rahmenbedingungen für Erben.<br />
dieses Thema nach einer gewonnen<br />
Wahl tatsächlich angehen würden,<br />
bleibt zwar abzuwarten, es gibt allerdings<br />
Indizien: Laut einer Mitteilung<br />
des Handelsblattes <strong>online</strong> sieht<br />
die CDU beispielsweise keinen besonderen<br />
Bedarf für eine spürbare<br />
Erhöhung der Erbschaftsteuer. Die<br />
Christdemokraten verfolgen demnach<br />
vielmehr das Ziel, den Erhalt<br />
von Arbeitsplätzen und die Unternehmensfortführung<br />
zu sichern. Dies<br />
solle vornehmlich durch die bereits<br />
bestehenden Begünstigungen für das<br />
Unternehmensvermögen geschehen.<br />
Allerdings ist auch hier mit Einschnitten<br />
zu rechnen, speziell vor dem<br />
Hintergrund, dass über die Verfassungsmäßigkeit<br />
des Erbschaftsteuergesetzes<br />
noch immer nicht abschließend<br />
entschieden worden ist.<br />
Im Gegensatz zur CDU sieht die<br />
SPD das Erbschaftsteuergesetz als zu<br />
DIE AUTOREN<br />
Michaela Nienhuis,<br />
Steuerberaterin<br />
Heisterborg & Partner<br />
stark durchlöchert an, sodass sich<br />
etliche Nischen und Schlupflöcher<br />
aufgetan haben. Durch geschickte Gestaltungen<br />
können vor allem reiche<br />
Erben steuerliche Privilegien in Anspruch<br />
nehmen. Das Missverhältnis<br />
zwischen explodierenden Erbschaften<br />
und sinkender Erbschaftsteuer spricht<br />
aus Sicht der Sozialdemokraten für<br />
eine deutliche Fehlentwicklung, der<br />
entgegengewirkt werden müsse.<br />
Noch weitreichender sind die Forderungen<br />
der Grünen. Die sprechen von<br />
einer Erhöhung der Erbschaftsteuer,<br />
die zu einer Verdoppelung des Erbschaftsteueraufkommens<br />
führen soll.<br />
Komplett kontrovers zu den Grünen<br />
argumentiert wiederum die FDP. Sie<br />
plädiert für eine gänzliche Abschaffung<br />
der Erbschaftsteuer. Zur Begründung<br />
wird darauf verwiesen, dass das<br />
Vermögen bereits bei deren Entstehung<br />
vielfach besteuert worden ist.<br />
Dorit Welberg,<br />
Steuerfachwirtin<br />
Heisterborg & Partner<br />
Foto: fotolia.de/DOC RABE Media<br />
Diese Möglichkeit ist aber wohl eher<br />
als Utopie abzutun.<br />
In der Literatur wird auch das Modell<br />
vertreten, alle Vermögensarten bei der<br />
Erbschaftsteuer gleich zu behandeln.<br />
Bei der Übertragung von Betriebsvermögen<br />
könnten Steuerstundungsregeln<br />
sicherstellen, dass die Fortsetzung<br />
des Unternehmens durch die<br />
Steuer nicht gefährdet wird. Auch<br />
die Finanzverwaltung hat hinsichtlich<br />
der verfassungsrechtlichen Diskussion<br />
bereits reagiert: Sie erteilt Erbschaftund<br />
Schenkungsteuerbescheide verfahrensrechtlich<br />
nur noch vorläufig<br />
gem. § 165 Abs. 1 AO. Das soll sicherstellen,<br />
dass Änderungen, die sich<br />
möglicherweise bereits für jetzt durchgeführte<br />
Veranlagungen ergeben, vom<br />
Steuerpflichtigen auch außerhalb der<br />
Rechtsbehelfsfrist beantragt werden<br />
können. Diese Änderungen sind dann<br />
erforderlich, wenn das Verfassungsgericht<br />
zu der Entscheidung kommt,<br />
dass die Steuer möglicherweise hätte<br />
niedriger festgesetzt werden müssen.<br />
Viele Fachkommentatoren rechnen<br />
damit, dass es durch das Bundesverfassungsgericht<br />
abermals zu einer sogenannten<br />
Unvereinbarkeitserklärung<br />
kommen wird und der Gesetzgeber<br />
aufgefordert wird, für die Zukunft ein<br />
verfassungsmäßiges Erbschaftsteuerrecht<br />
zu schaffen. Die Vergangenheit<br />
bliebe dann davon unberührt.<br />
Keinesfalls kann es jedoch dazu kommen,<br />
dass rückwirkend für bereits<br />
erfolgte Veranlagungen eine höhere<br />
Steuer als bisher festgesetzt entstehen<br />
kann; hier gilt der Vertrauensgrundsatz<br />
nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 AO.<br />
Fazit:<br />
Der übertragungswillige Unternehmer<br />
sollte sich deshalb überlegen, möglicherweise<br />
noch jetzt das Unternehmen<br />
oder Teile davon zu übertragen,<br />
wenn es sich rechnet. Abschließend<br />
kann festgestellt werden, dass zukünftige<br />
Änderungen des Erbschaftsteuerrechtes<br />
sicherlich eine höhere Steuer<br />
als bisher zur Folge haben werden.<br />
Jeder Übertragungswillige sollte daher<br />
seine persönliche Situation noch einmal<br />
daraufhin überprüfen.<br />
Dorit Welberg<br />
Michaela Nienhuis<br />
136 <strong>Wirtschaft</strong> <strong>aktuell</strong> <strong>BOR</strong> <strong>II</strong>/<strong>2013</strong>