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Shigemura: Die Menschen sind sehr verwirrt und misstrauisch gegenüber den Behörden. In so einem<br />

Umfeld verbreiten sich Gerüchte und falsche Informationen schnell. Im Krisenfall sollte die<br />

Kommunikation schnell, präzise und transparent sein. Wenn man Panik verhindern will, sollte man<br />

möglichst viele Informationen herausgeben, damit die Menschen die Gefahr verstehen und<br />

einschätzen können. Doch von dieser Art der Risikokommunikation versteht die Regierung nichts. Sie<br />

hat unter anderem verschwiegen, dass es eine Kernschmelze gab - und die Leute wurden erst recht<br />

unruhig.<br />

SPIEGEL ONLINE: Welche seelischen Folgen hat die Dreifachkatastrophe für die Menschen in den<br />

betroffenen Regionen?<br />

Shigemura: Es wird noch Jahre dauern, bis alle psychologischen Störungen sichtbar werden. Ich bin<br />

sicher, dass die Selbstmordrate im Nordosten steigen wird. Dort gab es schon vor der Katastrophe<br />

viele Selbstmorde: Die Winter sind lang und kalt, die Arbeitsplätze knapp und die Menschen gelten<br />

als besonders leidensfähig, das heißt sie sprechen meist nicht offen über ihre Probleme. Hinzu<br />

kommt die Strahlenangst, die manche Gemeinden in <strong>Fukushima</strong> in zwei Hälften trennt. In Tamura<br />

möchte ein Teil gehen, der andere Teil bleiben. Das kann auch eine Krise für Familien und Freunde<br />

bedeuten. Vielleicht möchte die Ehefrau unbedingt weg und der Mann möchte bleiben. An solch<br />

einer Frage können Beziehungen zerbrechen.<br />

SPIEGEL ONLINE: Wie kann man solche Spannungen überwinden?<br />

Shigemura: Darauf habe ich keine Antwort. Natürlich kann ich nicht sagen: „Ihr könnt in euer Dorf<br />

zurück.“ Auf jeden Fall sollte man den Menschen möglichst viele Möglichkeiten anbieten, wo und wie<br />

sie leben wollen. Und man muss Arbeitsplätze schaffen, um ihnen wieder eine Perspektive zu geben.<br />

Die Arbeitslosigkeit ist ein großes Problem unter den Flüchtlingen. Sie haben es schwer, unbefristete<br />

Jobs zu finden, denn niemand weiß, wie lange sie bleiben werden, ob sie nach einem oder nach zehn<br />

Jahren zurückkehren können - oder nie wieder.<br />

Das Interview führte Heike Sonnberger<br />

Quelle: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/psychiater-der-tepco-arbeiterunglaublich-wie-traumatisiert-sie-sind-a-816466.html<br />

27.02.2012<br />

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