Fukushima Reader_MJW200213_SB Logo - Internationales Bildungs
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„Ich finde das viel“, sagt Daikoku, er klingt ein bisschen trotzig. Er sitzt wieder in seinem Büro<br />
in der sozialwissenschaftlichen Fakultät und verschränkt die Hände hinter dem Kopf. „Ich<br />
habe vor allem Angst, dass meine Studenten krank werden könnten. Sie kommen mit 18<br />
hierher, sie sind jung.“ Er könne verstehen, wenn sich Studienanfänger lieber andere Unis<br />
aussuchen. Vielleicht sei es besser für sie, aus gesundheitlichen Gründen.<br />
„Überempfindlich“ nennt Vizepräsident Shuji Shimizu, 63, die Gruppe von Dozenten, die die<br />
Meinung von Politikprofessor Daikoku teilen. Shimizu ist Wirtschaftsprofessor und ein<br />
sanfter Mann, der seit Jahren zum Thema Atomkraft forscht und erst kürzlich wieder in<br />
Tschernobyl war. „Ich denke, wir sollten die Atomkraft abschaffen. Das dachte ich aber auch<br />
schon vor der Katastrophe.“<br />
Den Bruch, der sich seit dem Atomdesaster durch sein Kollegium zieht, kann er nicht gut<br />
ertragen. „Ich sage den Studenten, dass es hier sicher ist. Andere Lehrer sagen, es sei riskant.<br />
Und die Studenten wissen nicht, wem sie glauben sollen.“ Das bereite ihm „größtes<br />
Unbehagen“.<br />
Es wird sich wohl erst in vielen Jahren zeigen, wer Recht hatte. Experten sind sich einig, dass<br />
die Strahlenwerte auf dem Campus kurzfristig nicht gefährlich sind. Bei einem Flug nach<br />
Japan ist man einer Strahlung aus dem All von bis zu hundert Mikrosievert ausgesetzt. Bei<br />
einer Röntgenaufnahme des Brustkorbs bekommt man 10 bis 30 Mikrosievert ab. Doch was<br />
bewirkt diese sogenannte Niedrigstrahlung über mehrere Jahre auf einem leicht radioaktiv<br />
belasteten Uni-Campus? Weil sich niemand ein definitives Urteil zutraut, muss jeder seine<br />
eigenen Schlüsse ziehen.<br />
„Wir haben von Anfang an darauf gedrängt, dass schnell dekontaminiert wird“, sagt<br />
Strahlenskeptiker Daikoku. Doch die Uni habe bisher nur einmal den Dreck und die Blätter an<br />
den Regenrinnen entfernen lassen. Zum Jahresende wurde die oberste Erdschicht auf den<br />
Sportplätzen abgetragen, obwohl das neue Jahr bereits im Mai angefangen hatte. In einem<br />
nächsten Schritt sollen alle zentralen Plätze gesäubert werden. Daikoku ist empört: „Das ist<br />
ein Jahr danach!“<br />
Dekontaminierung ist teuer und aufwendig<br />
Für die Uni-Leitung ist es vor allem ein finanzielles Problem. „Wir haben bisher kein Geld von<br />
der Regierung für die Dekontaminierung bekommen“, sagt Vizepräsident Shimizu. Mehr als<br />
1,5 Millionen Euro habe man bisher für die aufwendigen Putzprozeduren bezahlt. Hinzu<br />
kommen die Gebühren für die Aufnahmeprüfung, die die Uni den Bewerbern für das<br />
laufende Jahr erlassen hat, um sie nach <strong>Fukushima</strong> zu locken - entgangene Einnahmen von<br />
fast 600.000 Euro. Das kam teuer, aber der Plan scheint aufgegangen zu sein: Rund 3500<br />
junge Leute haben sich zum Aufnahmetest angemeldet, etwas mehr als letztes Jahr.<br />
Diejenigen, die es auf die Uni schafften, zahlen nun 5000 Euro Studiengebühren im Jahr.<br />
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