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8.5 Die Einsiedler von <strong>Fukushima</strong><br />

Leben in der „Todeszone“: Die Einsiedler von <strong>Fukushima</strong><br />

07.01.2012 | von Angela Köhler (Tokio) (Die Presse)<br />

Rund um das havarierte AKW <strong>Fukushima</strong> in Japan wohnen Einsiedler, die ihr Land trotz<br />

aller Gesundheitswarnungen nicht verlassen wollen. Sie vermissen Solidarität und<br />

verlässliche Informationen durch die Regierung.<br />

Auf den Wiesen am Ortseingang liegen Kadaver verendeter Kühe und Hühner, ein übler<br />

Geruch durchdringt die Luft. In den Vorgärten der kleinen japanischen Holzhäuschen<br />

wuchern wilde Pflanzen. Aus den geborstenen Straßen schießt Unkraut. Tomioka in der<br />

Präfektur <strong>Fukushima</strong> gleicht nicht nur einer Geisterstadt. Der Ort, den einst 16.000<br />

Menschen ihre Heimat nannten, ist wirklich gottverlassen, stirbt menschenleer vor sich hin.<br />

Das Jahrhundertbeben am 11. März hat den Flecken im Nordosten Japans in einem Maße<br />

verwüstet, dass er wohl für Generationen unbewohnbar bleibt. Nukleares Niemandsland,<br />

nach Beben, Tsunami und dem Desaster im nahen Atomkraftwerk fluchtartig verlassen, aus<br />

Angst vor radioaktiver Verseuchung.<br />

Alltag in der Todeszone. Die Zahl der Einwohner von Tomioka beträgt heute: eins. Naoto<br />

Matsumara lebt hier völlig allein, ernährt sich von selbst geangeltem Fisch und Konserven,<br />

die er sich aus weit entfernten Supermärkten besorgt. Zur Stromversorgung nutzt er Uralt-<br />

Generatoren, das Wasser kommt aus einem Brunnen. Sein einziger lebendiger Kontakt und<br />

Begleiter ist der Hund Aki. Der 53-jährige Reisbauer weigert sich ungeachtet der<br />

Regierungsorder, das verstrahlte Gebiet zu verlassen. „Wenn ich aufgebe und den Ort<br />

verlasse, dann ist endgültig alles vorbei“, motiviert sich der letzte Verbliebene von Tomioka.<br />

„Es ist meine Verantwortung und mein Recht“, fügt er ernsthaft hinzu.<br />

Angst vor der Verwandtschaft. Was wie Rebellion, ziviler Ungehorsam oder ohne Sinn und<br />

Verstand wirkt, sind pure Verzweiflung und Trotz. Denn eigentlich wollte auch Naoto<br />

Matsumara seine Heimatstadt verlassen. Er fuhr zu einer Verwandten in dem Glauben, dort<br />

für eine Weile bleiben zu können. „Aber meine Cousine hat mich nicht einmal über die<br />

Türschwelle treten lassen, weil sie Angst hatte, ich sei kontaminiert.“ Danach versuchte er es<br />

in einem Evakuierungszentrum, aber dort nahmen sie ihn wegen Überfüllung nicht auf. „Das<br />

hat mir gereicht und mich dazu bewogen, wieder nach Hause zu gehen.“<br />

Obwohl der Einsiedler auch weiß, dass die radioaktive Strahlung nach der Havarie in<br />

<strong>Fukushima</strong> 168-mal höher war als die der Atombombe von Hiroshima und die Krebsgefahr<br />

akut ist, bleibt er. Wo soll er auch hingehen? Die Polizei, die den abgeriegelten Ort<br />

regelmäßig kontrolliert, übersieht den Mann einfach, obwohl jeder in der Verbotszone<br />

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