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8.3 „In <strong>Fukushima</strong> gibt es schöne Reiseziele“<br />
von Ulrike Scheffer<br />
Ein Jahr nach der Reaktorkatastrophe von <strong>Fukushima</strong> bemüht sich die japanische<br />
Regierung, das Ereignis herunter zu moderieren. Unsere Autorin Ulrike Scheffer berichtet<br />
von einer Reise durch ein verunsichertes Land.<br />
<strong>Fukushima</strong> ist ganz weit weg. Ausgerechnet in Japan. Diesen Eindruck vermittelt jedenfalls<br />
die Regierung in Tokio. Sie hat Journalisten aus acht Ländern eingeladen, um ihre Bilanz der<br />
Erdbeben- und Tsunamikatastrophe des vergangenen Jahres zu erläutern. China, Indien und<br />
Korea sind vertreten, Indonesien, Großbritannien und Al Dschasira aus Katar. Als deutsches<br />
Medium ist der Tagesspiegel exklusiv mit von der Partie.<br />
Schon am ersten Tag wird eines klar: Die Verantwortlichen hier halten den Atomunfall in<br />
<strong>Fukushima</strong> für weit weniger gefährlich als das Ausland. Ein einmaliges Ereignis, das längst<br />
unter Kontrolle ist. Am offensten formuliert das Noriyuki Shikata aus dem Büro des<br />
Premierministers. 18.000 Menschen seien am 11. März 2011 durch die Flutwelle<br />
umgekommen und kein einziger durch den Unfall im Atomkraftwerk <strong>Fukushima</strong> Daiichi, sagt<br />
er.<br />
Auch die Tatsache, dass in einigen Gebieten außerhalb der 20-Kilometer-Evakuierungszone<br />
weiterhin eine erhöhte radioaktive Strahlung gemessen wird, sieht er gelassen. „Manche<br />
Wissenschaftler glauben, dass der psychische Stress, verursacht durch die Angst vor einer<br />
Verstrahlung, viel mehr Schaden anrichtet als die Strahlung selbst.“ Denn die sei nicht<br />
dramatisch hoch. Fakt ist, dass der bisherige Grenzwert von einem Millisievert pro Jahr in<br />
<strong>Fukushima</strong>-Stadt um ein Vielfaches überschritten wird, wie Messungen von Greenpeace<br />
ergeben haben. Doch die Regierung beruft sich auf Wissenschaftler, die bis zu 100<br />
Millisievert für vertretbar halten und hat den Grenzwert kurzerhand auf 20 Millisievert pro<br />
Jahr angehoben. Damit sind die 300.000 Einwohner in <strong>Fukushima</strong>-Stadt jetzt im „grünen<br />
Bereich“.<br />
Selbstkritik gab es allerdings auch, an diesem Montag in Tokio. Politik und Atomwirtschaft<br />
seien in der Vergangenheit zu eng verwoben gewesen, heißt es gleich bei mehreren<br />
Regierungsstellen. Das werde sich ändern. Von einem Atomausstieg will man dagegen nichts<br />
mehr wissen. Der zur Zeit der Katastrophe amtierende Premierminister Naoto Kan hatte im<br />
vergangenen Jahr noch gesagt, die Atompolitik müsse überdacht werden. Sein Nachfolger<br />
Yoshihiko Noda gilt aber als Verfechter der Technologie, weshalb die Devise nunmehr lautet:<br />
„Ohne die Atomenergie geht es nicht.“ Erneuerbare Energiequellen sollen zwar ausgebaut<br />
werden, wirklich ernst nimmt sie hier aber offenbar kaum jemand. Ob die Bevölkerung den<br />
neuen Kurs, der ganz der alte ist, mitträgt, wird sich zeigen. Oder auch nicht. Die Regierung<br />
hat zwar angekündigt, die Bürger an der Entscheidung über die künftige Energiepolitik zu<br />
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