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6.3 Wie japanische Medien berichten<br />
Viele japanische Medien berichten nur sehr zurückhaltend über das Unglück in <strong>Fukushima</strong><br />
Skandal auf Seite 17<br />
Von Willi Germund<br />
Seine Welt sind Fakten, und als der 54-jährige Yu Tanaka, Professor für Ökologie an der<br />
Rikkyo Universität, vor knapp einem Jahr eher zufällig über eine Studie der Universität Tokio<br />
stolperte, traute er zunächst seinen eigenen Augen nicht. Im Auftrag des Elektrokonzerns<br />
Tepco, einem der größten Stromkonzerne der Welt und Betreiber des Atomkraftwerks von<br />
<strong>Fukushima</strong>, hatten seine Akademikerkollegen das Potenzial erneuerbarer Energien in Japan<br />
untersucht. Das sensationelle Ergebnis der Studie: Das Land wäre in der Lage, mit<br />
Windkraftanlagen, Solarstrom, Geothermik und Maschinen, die Elektrizität aus Ozeanwellen<br />
gewinnen, leistungsfähigen Batterien und einem „schlauen Stromnetz“ den gesamten<br />
Energiebedarf des Landes zu decken. Aber der Tepco-Konzern, der ein Drittel der gesamten<br />
Stromversorgung Japans produziert, hatte nicht nur die Veröffentlichung der Studie<br />
verhindert. Wenn Yu Tanaka in Vorträgen auf die Studie über das immense Potenzial der<br />
erneuerbaren Energien verwies, wurden seine Aussagen von den Medien verschwiegen.<br />
„Stromkonzerne wie Tepco sind die wichtigsten Werbesponsoren der japanischen Medien“,<br />
sagt Tanaka. Der japanische Staat garantiert den Energieriesen des Landes das 3,5-fache<br />
Einkommen der Baukosten von Kraftwerken. Für Unternehmen wie Tepco gehörten<br />
Atomkraftwerke mit ihren gigantischen Investitionen deshalb zu den lukrativsten Projekten.<br />
Laut Tanaka hängt die drittgrößte Industrienation der Welt selbst in diesen Tagen nicht von<br />
der Stromversorgung durch die Meiler ab. „Japans Stromausfälle nach dem Erdbeben und<br />
dem Tsunami vom 11. März entstanden nicht, weil <strong>Fukushima</strong> heruntergefahren werden<br />
musste, sondern weil nach dem Tsunami gleichzeitig acht Kohlekraftwerke an der Küste<br />
ausfielen. Sie waren überflutet oder die Kohle war nass geworden.“ Doch darüber fand sich<br />
in den japanischen Medien kein Wort der Erklärung. Die Zeitungen des Landes druckten seit<br />
der Katastrophe vor drei Wochen auf der ersten Seite am liebsten Berichte über die<br />
Versuche, die Reaktoren wieder unter Kontrolle zu bringen. Meldungen über die steigende<br />
radioaktive Belastung in der Umgebung und im Meer und deren langfristige Folgen wurden,<br />
wenn überhaupt, lieber auf den Innenseiten in kleinen Meldungen versteckt. Der größte<br />
japanische Fernsehsender ließ sich eine andere Methode einfallen, über die Folgen der<br />
Katastrophe in der Umgebung von <strong>Fukushima</strong> zu berichten. NHK lässt minutenlang<br />
Bürgermeister der betroffenen Gemeinden unkommentiert zu Wort kommen. Die<br />
Würdenträger übermitteln oft ein weitaus düsteres Bild, als es Tepco und der Regierung in<br />
Tokio recht sein kann. NHK braucht auf diese Weise keine Verantwortung für die Aussagen<br />
zu übernehmen - und keine Einschätzung abzugeben. Japan wird von einer Fülle technischer<br />
Daten überschwemmt. Millisievert, Becquerel und andere Fachbegriffe wandern durch die<br />
Berichte. Kaum ein Laie versteht noch, welche Bedeutung die Zahlen haben. Allerdings geht<br />
den japanischen Journalisten angesichts ausführlicher und wiederholter öffentlicher<br />
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