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Gestaltungsoptionen für die duale Organisation der Berufsbildung

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<strong>Gestaltungsoptionen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>duale</strong> <strong>Berufsbildung</strong> Expertise <strong>für</strong> Hans–Böckler–Stiftung<br />

Hinter den einzelnen Arbeitsstrukturen stehen dominante Arbeitstypen, <strong>die</strong> sich in vielfältiger<br />

Art und Weise beim Übergang zur nachindustriellen Gesellschaft heraus bilden und zur Verän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Rolle des Berufes führen (vgl. Dostal, Stoß, Troll 1998, S. 453 ff.). Für einen<br />

zukunftsfähigen betrieblich–beruflichen Bildungstyp ist deshalb zu prüfen, welche Berufsstrukturen<br />

da<strong>für</strong> geeignet sind. Dabei ist zur Kenntnis zu nehmen, dass Facharbeit nicht gleich<br />

Facharbeit ist, son<strong>der</strong>n auf unterschiedlichen Kategorien basiert, <strong>für</strong> <strong>die</strong> jedoch vergleichbare<br />

Qualitätsanfor<strong>der</strong>ungen existieren.<br />

Der berufliche Alltag for<strong>der</strong>t und för<strong>der</strong>t auch gegenwärtig nicht nur <strong>die</strong> Anwendung je spezifischer<br />

Kategorien relevanten Wissens, son<strong>der</strong>n fußt auf dem Einsatz verschiedenartiger sensorischer<br />

und motorischer Operationen, <strong>der</strong>en inkorporierte Vollzugsregeln meist kaum verbalisiert<br />

werden können und als verbalisierte oft eher verunsichern als orientieren und effektiveren<br />

(vgl. bes. Neuweg 2001). “Solcher Fähigkeiten bedarf es nicht nur zur Regulation gleichsam<br />

eingefahrener, routinierter o<strong>der</strong> habitualisierter Arbeitsprozesse, son<strong>der</strong>n auch zu <strong>der</strong>en innovativer<br />

Transformation. Sie sind als <strong>der</strong> ‚harte Kern’ jenes kulturellen Kapitals zu betrachten,<br />

über das zumindest <strong>die</strong> qualifizierten Beschäftigten mo<strong>der</strong>ner Betriebe verfügen müssen. Um<br />

es sich anzueignen, muss <strong>der</strong> Zugang zu mo<strong>der</strong>nen Arbeitsprozessen offen stehen. Einen an<strong>der</strong>en<br />

Weg <strong>der</strong> berufspädagogischen Erschließung <strong>die</strong>ses Kapitals gibt es nicht. Wir reden daher<br />

vom Lernen im Arbeitsprozess. Dessen kontinuierliche Aneignung und wirksame Verwendung<br />

wird allerdings durch <strong>die</strong> Berufsform ihrer Ausbildung und Erwerbstätigkeit, das heißt<br />

durch <strong>die</strong> nachhaltige sinnvolle Bündelung ihrer Inhalte und Formen begünstigt. Die Erzeugung<br />

und Nutzung <strong>die</strong>ses Kapitals sind an <strong>die</strong> Möglichkeit einer aktiven Mitgestaltung <strong>der</strong><br />

Arbeitsstrukturen und -prozesse gebunden, rechtfertigen <strong>die</strong>sbezügliche Ansprüche und stellen<br />

zugleich Sanktionspotentiale her und dar„ (Lempert 2007).<br />

Diese Potenziale und darüber hinaus <strong>der</strong> hier generell erhobene und begründete Bildungsanspruch<br />

aller Varianten beruflicher Qualifizierung nach dem Verlassen <strong>der</strong> allgemeinbildenden<br />

Schulen können nur entbunden und gesellschaftlich — also auch am Arbeitsmarkt — genutzt<br />

werden, wenn <strong>der</strong> Automatismus verhin<strong>der</strong>t wird, aus einem Facharbeitstyp einen Facharbeitertyp<br />

zu machen, indem aus einem Arbeitstyp ein Berufsbild entsteht, nach dem <strong>die</strong> Bildungsmöglichkeiten<br />

eines jugendlichen Menschen zugeschnitten werden sollen. Die Kopplung<br />

<strong>der</strong> <strong>Berufsbildung</strong> an den Arbeitsmarkt muss auf dem Wege <strong>der</strong> Potenzialbereitstellung gelingen<br />

und darf nicht durch Potenzialbeschneidung darauf festgelegt werden, <strong>die</strong> vorherrschenden<br />

Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen gleichsam blind aus realen Tätigkeiten in Quantität und<br />

Qualität abzuleiten.<br />

Der aktuelle Weg <strong>der</strong> deutschen <strong>Berufsbildung</strong>spolitik und <strong>die</strong> For<strong>der</strong>ung nach Ausbildungsgängen<br />

<strong>für</strong> einfache Arbeit scheinen aber auf <strong>die</strong>sem analytischen Fehler zu beruhen. Obwohl<br />

z. B. Klemm (2007, S. 56) <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gruppe schlecht ausgebildeter junger Menschen festgestellt<br />

hat, dass <strong>für</strong> sie am Arbeitsmarkt allenfalls prekäre Beschäftigungsverhältnisse entstehen können,<br />

sind bildungspolitische Bestrebungen sichtbar, <strong>die</strong> von <strong>der</strong> folgenden Polarisierung ausgehen:<br />

— Etablierung von Segmenten <strong>der</strong> mittleren und höheren Qualifikationen (a) und<br />

— Etablierung von Segmenten <strong>der</strong> gering o<strong>der</strong> gar nicht Qualifizierten (b).<br />

Betrachtet man <strong>die</strong>se »Polarisierung« gesellschaftlich, bildungspolitisch o<strong>der</strong> unter dem bevorstehenden<br />

Fachkräftemangel, dann ist es nicht akzeptabel, dass zwar große, systemverän<strong>der</strong>nde<br />

Anstrengungen unternommen werden, um möglichst viele junge Menschen in <strong>die</strong> Hochschulen<br />

zu bringen und <strong>die</strong>ses auch noch durch politischen Druck forciert wird, während <strong>die</strong> nach<br />

<strong>der</strong> PISA–Stu<strong>die</strong> als »Risikogruppe« bezeichneten Schüler in anspruchs– und för<strong>der</strong>ungsarme<br />

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