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Gestaltungsoptionen für die duale Organisation der Berufsbildung

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<strong>Gestaltungsoptionen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>duale</strong> <strong>Berufsbildung</strong> Expertise <strong>für</strong> Hans–Böckler–Stiftung<br />

Verrichtungsprinzip gebunden waren (z. B. Dreher, Fräser, Elektromechaniker u. a.). Durch<br />

eine Rücknahme <strong>der</strong> hohen Ausdifferenzierung <strong>der</strong> <strong>Organisation</strong> von Arbeit vor allem im<br />

wertschöpfenden Bereich ist das Ende <strong>der</strong> tayloristischen Arbeitsteilung erreicht. Gleichzeitig<br />

ergaben sich Chancen <strong>für</strong> eine mo<strong>der</strong>ne, prozessorientierte Wahrnehmung von Facharbeitsaufgaben,<br />

<strong>die</strong> heute eine hervorgehobene Rolle spielen.<br />

Die technischen und organisatorischen Innovationen führten auch zu <strong>der</strong> These vom »Ende<br />

<strong>der</strong> Arbeitsgesellschaft« aufgrund eines deutlichen Rückgangs des Bedarfs an Lohnarbeit. In<br />

<strong>der</strong> soziologischen Forschung setzte sich <strong>die</strong>se These allerdings nicht durch (vgl. Kurtz 2005).<br />

Nach wie vor wird <strong>die</strong> in beson<strong>der</strong>er Weise strukturprägende Wirkung <strong>der</strong> Berufsarbeit auf <strong>die</strong><br />

Facharbeitsmärkte und Gesellschaft herausgestellt.<br />

Daneben gibt es zahlreiche weitere Positionen. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist das postmo<strong>der</strong>ne<br />

Leitbild <strong>der</strong> Kollagenbiographie in <strong>der</strong> Diskussion, das vom Soziologen Richard Sennett<br />

scharf kritisiert wird:<br />

»Ein nachgiebiges Ich, eine Collage aus Fragmenten, <strong>die</strong> sich ständig wandelt, sich immer neuen<br />

Erfahrungen öffnet – das sind <strong>die</strong> psychologischen Bedingungen, <strong>die</strong> <strong>der</strong> kurzfristigen, ungesicherten<br />

Arbeitserfahrung, flexiblen Institutionen, ständigen Risiken entsprechen. Aber wenn man<br />

glaubt, daß <strong>die</strong> ganze Lebensgeschichte nur aus einer willkürlichen Sammlung von Fragmenten besteht,<br />

läßt das wenig Möglichkeiten, das plötzliche Scheitern einer Karriere zu verstehen« (Sennett<br />

1998, 182).<br />

Sennett sieht also in <strong>der</strong> Flexibilität keine Anleitung, das Leben zu führen, woraus Zweifel<br />

abzuleiten sind, berufliche Karrieren <strong>der</strong> Flexibilität des Neoliberalismus zu opfern. Ein solches<br />

Leitbild steht auch in einem Wi<strong>der</strong>spruch zu <strong>der</strong> hohen Bedeutung, <strong>die</strong> das berufliche<br />

Erfahrungswissen im weltweiten Qualitätswettbewerb erlangt hat. Dieses Wissen kann als Garant<br />

da<strong>für</strong> verstanden werden, nicht auf das Niveau von Niedriglohn–Arbeitsverhältnissen in<br />

<strong>der</strong> Produktion wenig anspruchsvoller Güter abzusinken. Daran vermag auch <strong>die</strong> Tatsache<br />

nichts zu än<strong>der</strong>n, dass <strong>der</strong> Wandel <strong>der</strong> Technologien, Verfahren und <strong>Organisation</strong> von Arbeit<br />

mit wachsendem Alter als Entwertung <strong>der</strong> gesammelten Erfahrungen erlebt wird. Der reale<br />

Bedeutungsverlust an Erfahrungen, <strong>der</strong>zeit z. B. im Umgang mit Metallwerkstoffen, da Kunststoff<br />

eingesetzt wird, bedeutet nicht, dass <strong>die</strong> betroffenen Belegschaftsteile in den Niedriglohnsektor<br />

abgleiten.<br />

Die Rücknahme funktionsorientierter betrieblicher <strong>Organisation</strong>skonzepte in den vergangenen<br />

20 Jahren und <strong>die</strong> Betonung geschäftsprozessorientierter betrieblicher Strukturen in zukunftsgerichteten<br />

Unternehmen trägt erheblich zur Erhöhung <strong>der</strong> betrieblichen Flexibilität bei. Dieser<br />

Wandel betrieblicher <strong>Organisation</strong>en muss jedoch nicht im Wi<strong>der</strong>spruch (vgl. Baethge,<br />

2006) zu einem Berufsverständnis und einer Berufspraxis stehen, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong>se Verän<strong>der</strong>ungen<br />

durch <strong>der</strong>en Adaption reagiert. Allerdings ist festzustellen, dass <strong>die</strong> sich in den vergangenen 30<br />

Jahren etablierende Ausbildungsordnungsforschung auf <strong>der</strong> Grundlage des 1972 formulierten<br />

gemeinsamen Ergebnisprotokolls <strong>der</strong> Sozialpartner möglicherweise zu sehr auf Verfahrens–<br />

und Abstimmungsfragen konzentriert hat und <strong>die</strong> Gestaltung einer zukunftsgerichteten Berufsausbildung<br />

und <strong>Berufsbildung</strong>sforschung nicht intensiv genug verfolgte, was zu einem<br />

Defizit bei <strong>der</strong> Weiterentwicklung <strong>der</strong> Berufe, <strong>der</strong> <strong>Berufsbildung</strong> und des <strong>Berufsbildung</strong>ssystems<br />

führte. Die soziologische und industriesoziologische Forschung konnte <strong>die</strong>se Lücke<br />

aufgrund eines an<strong>der</strong>en Forschungsgegenstandes nicht schließen, obwohl sie sich intensiv mit<br />

<strong>der</strong> Frage des Wandels <strong>der</strong> Arbeitswelt und korrespon<strong>die</strong>renden Fragen zur Ausgestaltung <strong>duale</strong>r<br />

<strong>Berufsbildung</strong> beschäftigte.<br />

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