02.12.2014 Aufrufe

Berufswunsch oder Wunschberuf. Ausbildungsweg und Berufswahl ...

Berufswunsch oder Wunschberuf. Ausbildungsweg und Berufswahl ...

Berufswunsch oder Wunschberuf. Ausbildungsweg und Berufswahl ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Berufswunsch</strong> <strong>oder</strong> <strong>Wunschberuf</strong><br />

5 Formale Theorie der <strong>Berufswahl</strong>entscheidung<br />

relevant empf<strong>und</strong>en wird, stützt Bourdieus Beobachtung. Bourdieu (ebd., S. 148) bezeichnet<br />

Attribute wie die getragenen Kleider <strong>oder</strong> auch den Haarschnitt als den „äusseren Habitus“. Die<br />

Kinder der oberen gesellschaftlichen Schichten distanzierten sich neben diesen äusserlichen Aspekten<br />

auch in ihren Freizeitbeschäftigungen von Angelina. Sie verfügten über keine Erfahrungen<br />

in der Jugendarbeit, waren niemals in der Pfadi <strong>oder</strong> im Blauring engagiert. Angelina bringt es<br />

kurz auf den Punkt indem sie feststellt, sie „habe so andere Prioritäten gehabt als die meisten von<br />

denen.“<br />

Zur Bewältigung des Phänomens tritt sie in Wechselwirkung mit Gatekeepern: einmal mit den<br />

Peers, also den Mitschülerinnen <strong>und</strong> Mitschülern, deren Meinung bezüglich der Ausbildungswahl<br />

sie berücksichtigt. Sodann spricht sie mit einer Deutschlehrerin, die sie zur Wahl eines<br />

Hochschulstudiums drängt. Doch schliesslich ist die Abneigung gegenüber dem fremden sozialen<br />

Raum ausschlaggebend. Sie hält die Vorstellung der für ein Hochschulstudium notwendigen<br />

„Dekulturation <strong>und</strong> Abrichtung“ (ebd., S. 129) für unerträglich. Sie leidet zu stark unter der<br />

Distanz zwischen dem eigenen <strong>und</strong> dem für ein Studium notwendigen Habitus. Angesichts dieser<br />

Distanz erscheint ihr ein Hochschulstudium als „das Extreme“, Bourdieu (ebd.) spricht vergleichbar<br />

von der „Form des Excellenten“. Wohingegen für die Mitschülerinnen <strong>und</strong> Mitschüler,<br />

die den für den akademischen Sozialraum geeigneten Habitus besitzen, ein Studium eine selbstverständliche<br />

Wahl darstellt.<br />

Bestandteil des Habitus sind die notwendigen Arbeitstechniken, um den Leistungsanforderungen<br />

eines Studiums problemlos begegnen zu können. In Form von kulturellem Kapital werden diese<br />

bereits innerhalb der Familie von den Eltern auf die Kinder übertragen <strong>und</strong> verschaffen in dieser<br />

Weise Kindern aus reicheren Schichten einen Vorteil gegenüber benachteiligten Kindern (Bourdieu<br />

1982, 1983, 1985). Angelina erkennt, dass sie diesbezüglich benachteiligt ist, als sie die Anforderungen<br />

eines Hochschulstudiums reflektiert. In der Folge kommt es zur Selbstselektion.<br />

Angelina verzichtet auf die gesellschaftlich höher positionierte Ausbildung <strong>und</strong> zieht sich auf den<br />

Weg der Ausbildung zur Lehrperson zurück: „Ich will einfach raus <strong>und</strong> etwas anderes machen“<br />

als die anderen. Dieser Mechanismus der Selbstselektion erscheint ihr so zwangsläufig, dass sie die<br />

Ansicht äussert, dass der Ausbildungsentscheid letztlich ein „logischer Entscheid“ sei. Dies deutet<br />

darauf hin, dass für sie wie von Bourdieu <strong>und</strong> Passeron (1971) beobachtet, nicht wirklich alle<br />

möglichen Laufbahnen zur Auswahl stehen. Angelina erkennt, die akademische Laufbahn, „das<br />

wird nicht mein Weg sein“.<br />

Die in Form des Habitus verinnerlichten gesellschaftlichen Strukturen sorgen dafür, dass im Zuweisungsprozess<br />

der gesellschaftlichen Positionen Mechanismen wirken, die als Selbstselektion<br />

dazu führen, bestehende Ungleichheiten zu reproduzieren. Angelina berichtet hierzu: „Ja, für<br />

meinen Vater ist eigentlich klar gewesen, ja komm he, du hast jetzt das Gymi probiert, jetzt gehst<br />

du doch zurück in die Sek, wir haben alle auch nur die Sek gemacht.“ Die soziale Herkunft An-<br />

106

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!