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Berufswunsch oder Wunschberuf. Ausbildungsweg und Berufswahl ...

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<strong>Berufswunsch</strong> <strong>oder</strong> <strong>Wunschberuf</strong><br />

5 Formale Theorie der <strong>Berufswahl</strong>entscheidung<br />

aus privilegierten Familien widerspiegeln sich in schlechteren Ergebnissen der schulischen Leistungen<br />

sowie einem Leidensdruck, der in der kulturellen Distanz des persönlichen charakteristischen<br />

Dispositionssystems (Bourdieu 1982) zum Habitus von Kindern aus gesellschaftlich höher<br />

positionierten Schichten gründet.<br />

In dieser lebensgeschichtlichen Problemsituation kommt es zu Wechselwirkungen mit zwei Sozialisationsagenten<br />

<strong>und</strong> Gatekeepern. Der Lehrer unterstützt Ramona in ihren Anstrengungen,<br />

das Gymnasium zu absolvieren. Er macht ihr Mut <strong>und</strong> verspricht „das käme dann schon“. Die<br />

Eltern vertreten eine andere Ansicht. Sie sehen ihr Kind leiden <strong>und</strong> empfehlen, in die Sek<strong>und</strong>arschule<br />

zu wechseln. Dabei zeigt sich die Wirkung der sozialen Herkunft: Beide Eltern haben keine<br />

akademische Ausbildung <strong>und</strong> stehen gemäss Ramonas Erzählung der universitären Welt eher<br />

distanziert gegenüber. In der Folge entscheidet sich Ramona für den Weg der Selbstselektion. Sie<br />

bricht das Gymnasium vorerst ab <strong>und</strong> wechselt in die Sek<strong>und</strong>arschule. Soziale Herkunft <strong>und</strong> ein<br />

nicht für die akademische Welt geeigneter Habitus führen in Form von Selbstselektion dazu, dass<br />

Ramona aus dem Bildungssystem eliminiert wird (Bourdieu <strong>und</strong> Passeron 1971).<br />

Übersicht: Habitus <strong>und</strong> Selbstselektion<br />

Die Datenbeispiele veranschaulichen, wie spezifische persönliche Dispositionssysteme zu einem<br />

unterschiedlichen Umgang mit lebensgeschichtlichen Problemsituationen führen. Um Handlungsstrategien<br />

<strong>und</strong> biographische Orientierungen zu verstehen, ist es notwendig, den Habitus<br />

eines Individuums zu berücksichtigen, denn dieser stellt die inkorporierte Form ungleicher gesellschaftlicher<br />

Bedingungen dar. Nicht alle bewegen sich mit den gleichen Chancen versehen durch<br />

das Bildungssystem. Die soziale Herkunft ist ein wichtiger Faktor, der bestimmt, welche Interessen,<br />

Wissensbestände <strong>und</strong> Ressourcen eine Person aufweist. Verfügt sie nicht über den für eine<br />

bestimmte Position notwendigen Habitus, fehlt ihr die Selbstverständlichkeit <strong>und</strong> Leichtigkeit,<br />

um sich mühelos durch den jeweiligen sozialen Raum zu bewegen. Die Aneignung des akademischen<br />

Habitus setzt gerade für Kinder aus benachteiligten Schichten einen aufwändigen Prozess<br />

der Akkulturation voraus, der nicht immer gelingt. Es kommt zum Phänomen der Selbstselektion,<br />

einem Verzicht auf die angestrebte Position im sozialen Raum, beispielsweise auf ein Hochschulstudium.<br />

Eine vorteilhaftere Ausstattung mit kulturellem Kapital, vermittelt durch den Einfluss<br />

der Eltern (als Sozialisationsagenten) in Abhängigkeit der sozialen Herkunft während der<br />

frühen Sozialisation, verschafft Kindern aus privilegierten Schichten anhaltende Vorteile im Bildungssystem<br />

<strong>und</strong> verursacht über Mechanismen der Selbstselektion die Reproduktion gesellschaftlicher<br />

Ungleichheit: „Die Reproduktion der Distributionsstruktur des kulturellen Kapitals<br />

vollzieht sich in der Relation zwischen den Strategien der Familien <strong>und</strong> der spezifischen Logik<br />

des Bildungssystems“ (Bourdieu 1985, S. 35). Zur Visualisierung der beschriebenen Beziehungen<br />

sei auf Abbildung 4.2 des vorhergehenden Abschnitts verwiesen. Prozesse der Selbstselektion stel-<br />

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