02.12.2014 Aufrufe

Berufswunsch oder Wunschberuf. Ausbildungsweg und Berufswahl ...

Berufswunsch oder Wunschberuf. Ausbildungsweg und Berufswahl ...

Berufswunsch oder Wunschberuf. Ausbildungsweg und Berufswahl ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Berufswunsch</strong> <strong>oder</strong> <strong>Wunschberuf</strong><br />

5 Formale Theorie der <strong>Berufswahl</strong>entscheidung<br />

das persönliche Dispositionssystem, den Habitus 12 , einordnen.<br />

Das negative Erlebnis wird von Rebekka intensiv empf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> als „Schlüsselerlebnis“ erinnert.<br />

Es wird verursacht durch ein ausgeprägtes Interesse an einer schulischen Leistung <strong>und</strong> dem Vertrauen<br />

in die eigenen Fähigkeiten. Störungen im Prozess lebensgeschichtlicher Passagen sind<br />

nicht ungewöhnlich (Glaser <strong>und</strong> Strauss 1971, S. 73. Hervorh. im Original): „Because a passage<br />

is in constant motion and shaping is a constant problem involving control, the passage can easily<br />

go out of shape. Until this condition is corrected, the passagee or agent experiences perceptions<br />

and feelings of mild deviance from the projected shape of the passage. For the experience to be<br />

more than mild, drastic reversals or blockages must occur“. Relevante Erlebnisse werden erinnert<br />

<strong>und</strong> zu biographischen Wissensbeständen aufgeschichtet, die den Verlauf der weiteren Lebensgeschichte<br />

strukturieren (Hoerning 2000).<br />

Als Strategie zur Bewältigung der problematischen Situation sucht Rebekka die Hilfe einer<br />

fre<strong>und</strong>lichen Nachbarin: Sie erzählt dieser Frau das negative Ereignis aus dem Schulunterricht<br />

12 Mit dem Habitus-Konzept wird berücksichtigt, dass in der Summe der Wissensbestände einer Person sich auch<br />

gesellschaftliche Vorgaben ausdrücken <strong>und</strong> insofern die biographischen Orientierungen beeinflussen. Der Habitus<br />

stellt ein Konzept dar, das der Fachliteratur entnommen wurde: Er entspringt der Stellung eines Individuums im<br />

sozialen Raum <strong>und</strong> umfasst ein verinnerlichtes System von Interessen, Fähigkeiten, Kenntnissen, Gewohnheiten <strong>und</strong><br />

Weltanschauungen (Bourdieu 1982, 1985, 1987). Diese persönlichen Dispositionen werden nicht nur als individuelle<br />

Besonderheiten aufgefasst. Sie gründen in den biographischen Erfahrungen, die ein Individuum in den Wechselwirkungen<br />

mit den sozialen Gruppierungen durchläuft, deren Mitglied es ist. Sie sind geprägt durch die kulturellen<br />

<strong>und</strong> strukturellen Vorgaben einer Gesellschaft <strong>und</strong> werden über das ökonomische, soziale <strong>und</strong> kulturelle Kapital<br />

im Rahmen der familiären Sozialisation verinnerlicht. Der Habitus stellt eine Gr<strong>und</strong>lage dar, auf der zukünftige<br />

Chancen im Lebenslauf beurteilt <strong>und</strong> Handlungsentwürfe entwickelt werden. Der Habitus strukturiert die Handlungsstrategien<br />

<strong>und</strong> biographischen Orientierungen einer Person. In dieser Weise repräsentiert er ein konzeptuelles<br />

Bindeglied zwischen der makro- <strong>und</strong> mikrosozialen Ebene der Lebenslaufanalyse. Er verweist bei der Analyse biographischer<br />

Handlungen alltäglicher Situationen auf die gesellschaftlichen Mechanismen, die hinter dem Rücken der<br />

Akteure am wirken sind.<br />

Angelina meint: „Das ist nicht meine Welt.“ Und Simon betont die Bedeutung seiner Herkunft: „Von zuhause aus<br />

von der Erziehung her, wenn man etwas anfängt, dann macht man es fertig.“ Das persönliche Dispositionssystem<br />

Habitus umschrieben als „meine Welt“: Mit dieser Aussage drückt Angelina ihr Unbehagen über eine mögliche<br />

Position im sozialen Raum aus, die sie nur über einen schmerzhaften Prozess der Akkulturation erlangen könnte. Die<br />

Beobachtung weist auf Mechanismen der Selbstselektion (Leemann 2002) hin, die auftreten, wenn eine Person nicht<br />

im Besitz des benötigten Habitus ist, um sich in einer bestimmten sozialen Umgebung mühelos zu bewegen.<br />

Mit dem persönlichen Habitus sind eine Reihe distinktiver Merkmale verb<strong>und</strong>en, die es erlauben, die Klassenzugehörigkeit<br />

abzuschätzen: „Statur, Haltung, angenehmes Äußeres, Auftreten, Diktion <strong>und</strong> Aussprache, Umgangsformen<br />

<strong>und</strong> Lebensart“ (Bourdieu 1987, S. 159). Der Habitus, „in dem sich die symbolischen Ordnungen <strong>und</strong> kulturellen<br />

Konstruktionen gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse einnisten“ (Leemann 2002, S. 29), trägt dazu bei,<br />

dass sich die Individuen als Teil ihrer sozialen Gruppe in die für sie bestimmten gesellschaftlichen Felder einordnen<br />

<strong>und</strong> dadurch die gesellschaftlichen Ungleichheitsverhältnisse reproduzieren.<br />

95

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!