Berufswunsch oder Wunschberuf. Ausbildungsweg und Berufswahl ...

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Berufswunsch oder Wunschberuf 5 Formale Theorie der Berufswahlentscheidung vom biographischen Kontext in dem sie stattfindet, von einem biographischen Projekt, das bereits seit der frühen Schulzeit vorliegt (ebd., S. 81): „Das Ergebnis des Reflexions- und Entscheidungsprozesses ist durch lebensgeschichtliche Bahnen in der Grundstruktur vorgezeichnet.“ Es zeigt sich, „daß eine solche (...) ‚Entscheidung‘ wenig mit dem Modell rationaler Lebensplanung zu tun hat, dafür um so mehr mit dem Familienhintergrund“ (ebd.). Die soziale Herkunft, der gesamte biographische Kontext und nicht rationale Kosten- und Nutzen-Berechnungen bestimmen das Ergebnis des Entscheidungsprozesses in der Statuspassage. Übersicht: Entscheidungsprozesse in Statuspassagen Gemäss Burkart (ebd., S. 66) hängen Entscheidungen „davon ab, ob die Handelnden sich in der Lage sehen, entscheidungsrelevante vergleichende Bewertungen der verschiedenen Alternativen vorzunehmen. Ist das nicht möglich, schiebt man die Entscheidung auf. Aber Entscheidungen können auch notwendig werden, weil die Zeit verstreicht. Dann geht es nicht mehr um alternative Möglichkeiten, sondern einfach darum, daß gehandelt, daß etwas getan wird“. Die angefügten Datenbeispiele lassen sich dieser Beobachtung zuordnen: Ramona schiebt eine Entscheidung solange als möglich auf und wählt dann jene Handlungsalternative, die sie entsprechend ihrer biographischen Logik als den einfachsten Weg empfindet; Rebekka sieht sich ausserstande, die Handlungsalternativen gegeneinander abzuwägen, die Notwendigkeit einer Einschränkung wird zu intensiv erlebt und schliesslich trifft sie eine spontane Entscheidung aufgrund des unerträglich werdenden Zeitdrucks. Die Beispiele weisen auf die Folgen gesellschaftlicher Individualisierungsprozesse (Beck 1983, 1986) hin: Wo früher Selbstverständlichkeiten vorherrschten, besteht nun die ausgedehnte Notwendigkeit in einem Prozess der Selbstreflexion für die Stimmigkeit der eigenen Biographie zu sorgen. Burkart (1995, S. 65) stellt fest, falls „es richtig ist, daß kulturelle Werte und institutionelle Normen immer weniger handlungsleitend sind, dann sind die Individuen genötigt, biographische Entscheidungen zu treffen, wo früher Selbstverständlichkeiten vorherrschten.“ Diese Entscheidungsprozesse verlaufen immer häufiger belastet mit individuellen Risiken und Unwägbarkeiten. In Abbildung 5.2 sind die besprochenen Zusammenhänge veranschaulicht. Die Entscheidungsnotwendigkeit wird durch einen biographisch geprägten Zeitdruck ausgelöst. Der Problemdruck ist in seiner Intensität bestimmt durch die Verfügbarkeit attraktiver Wahlalternativen und einem unterschiedlich ausgeprägten Zeitdruck. Glaser und Strauss (1971) halten fest, dass der Verlauf einer Statuspassage durch zwei Achsen mitbestimmt wird, einerseits durch den zeitlichen Aspekt und andererseits durch die Richtung der angestrebten Optionen. Zur Bewältigung der Handlungsproblematik werden mehrere Handlungsstrategien gewählt: Es werden Informationen zu den Handlungsmöglichkeiten gesammelt, soziale Wechselwirkungen mit Gatekeepern werden gesucht und biographische Wissensbestände werden als Handlungsres- 120
Berufswunsch oder Wunschberuf 5 Formale Theorie der Berufswahlentscheidung Abb. 5.2: Entscheidungsprozesse in Statuspassagen Gesellschaftliche Vorgaben (Chancen und Restriktionen im Lebenslauf) Soziale Herkunft Notwendigkeit der Berufswahl Ausbildungsangebote Umwelteinfluss Habitus (persönliches Dispositionssystem) Interessen Biographische Erfahrungen / Wissensbestände Zeitdruck Wahlalternativen Berufswahlkonflikt (Handlungsproblem) Handlungs- und Interaktionsstrategien • Informationsbeschaffung • Gatekeeper berücksichtigen • Biographischen Erfahrungen als Handlungsressource Wahlalternativen abwägen / Neuinterpretation der Wissensbestände Verlauf der Berufswahlentscheidung Quelle: Lebenslaufanalyse mit der Grounded Theory. sourcen verwendet. Die Bewältigung der Passage kann in variierender Abfolge von Zwischenstufen verlaufen (ebd. S. 57): „A basic property of shape [of a status passage] is the distance the passagee has travelled in the passage.“ Die eingesetzten Strategien führen zu einer Neuinterpretation der verfügbaren Wissensbestände in einem aufwändigen Prozess der Selbstreflexion. Dieser Prozess des Abwägens ist in Situationen, die durch den biographischen Kontext geprägt sind, nur in geringem Masse durch Zweckrationalität, wie dies von den Vertretern der Rational Choice Theorie vorgegeben wird, erklärbar. Gemäss Burkart (1995) folgt das Abwägen für gewöhnlich nicht dem Modell rationaler Kalkula- 121
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