iso-NEWS - Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft eV
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10<br />
Ausgrenzung <strong>und</strong> Integration - historische Wendepunkte<br />
in der Sozialpolitik<br />
Wenn im sozialpolitischen Diskurs von<br />
„Ausgrenzung“ - oder „Exklusion“ – die<br />
Rede ist, wird problematisiert, dass ein bemerkenswerter<br />
Teil der Gesellschaftsmitglieder<br />
von zentralen Bereichen <strong>und</strong> Integrationsmechanismen<br />
der Gesellschaft abgekoppelt<br />
beziehungsweise nur marginal<br />
in diese einbezogen ist. Das bezieht sich<br />
insbesondere auf den Arbeitsmarkt, die<br />
primären Sozialbeziehungen, die gerade<br />
im Kontext von Familie <strong>und</strong> im sozialem<br />
Nahraum einer örtlichen Gemeinschaft zu<br />
einer wichtigen Quelle von sozialem Kapital<br />
werden können sowie auf die Teilhabe<br />
an individuellen, politischen <strong>und</strong> sozialen<br />
Rechten (vgl. Kronauer 2002).<br />
Exklusion im hier gemeinten Sinn ist, insofern<br />
mangelnde Ressourcen tangiert sind,<br />
sicherlich eng mit Armut verknüpft. Exklusion<br />
kann aber auch mehr als „nur Armut“<br />
bedeuten <strong>und</strong> Armut muss nicht notwendigerweise<br />
exkludierende Wirkungen haben.<br />
Prinzipiell ist auch eine integrierte<br />
Armut denkbar. Die Not kann die Menschen<br />
erst recht zusammenschweißen. Das<br />
Armutskonzept bezieht sich auf ein sozialmoralisch<br />
begründetes Recht auf ein Minimum<br />
an Ressourcen. Die Frage der Ausgrenzung<br />
hingegen bezieht sich auf zentrale<br />
Dimensionen der sozialen Integration,<br />
was in der Regel aber seinerseits wiederum<br />
die Verfügbarkeit von Ressourcen tangiert.<br />
Ausgrenzung ist nicht nur ein Randgruppenphänomen.<br />
Prozesse der Exklusion,<br />
so die These von Robert Castel, der ich<br />
mich anschließe, gehen vom Zentrum der<br />
<strong>iso</strong>-Mitteilungen Nr. 3/August 2004<br />
Manfred Geiger<br />
Gesellschaft aus. Sie durchqueren die gesamte<br />
Gesellschaft. Sie bewegen sich auf<br />
einem Kontinuum, das von einer „Zone der<br />
Integration“ über eine „Zone der Verw<strong>und</strong>barkeit“<br />
bis zur völligen Entkoppelung<br />
von Einzelnen <strong>und</strong> Gruppen führen kann.<br />
So genannte Randgruppen sind sicherlich<br />
das Ergebnis lang anhaltender Ausgrenzungsprozesse.<br />
Gerade aber wenn man<br />
tendenziell präventiv auf diese Prozesse<br />
einwirken will, muss man das Kontinuum,<br />
an dem entlang sich Prozesse der Exklusion<br />
vollziehen, im Auge behalten.<br />
Welche Art <strong>und</strong> welches Maß an Exklusion<br />
in welchen Dimensionen <strong>und</strong> Kombinationen<br />
als problematisch gilt <strong>und</strong> Integrationsanstrengungen<br />
beziehungsweise<br />
Disziplinierungsbedarf hervorruft, ist alltagspraktisch,<br />
politisch <strong>und</strong> natürlich auch<br />
wissenschaftlich umstritten. Darüber kann<br />
nur mit Blick auf „die normativen Vorstellungen<br />
darüber, was Zugehörigkeit zu einer<br />
Gesellschaft ausmacht“ (Kronauer 1997:<br />
43), entschieden werden. Das wiederum<br />
hängt von der Sichtweise ab, wie die Gesellschaft<br />
funktioniert oder funktionieren<br />
sollte. Mit diesen Sichtweisen wandeln sich<br />
auch Verständnis <strong>und</strong> Aufgaben einer<br />
kompensierenden Armuts- <strong>und</strong> Sozialpolitik.<br />
Phasen der Zuspitzung von<br />
Prozessen der Ausgrenzung<br />
Historisch betrachtet spitzte sich die Exklusionsproblematik<br />
immer wieder zu. Besonders<br />
drastisch ergab sich dies