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iso-NEWS - Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft eV

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Manfred Geiger: Ausgrenzung <strong>und</strong> Integration – historische Wendepunkte in der Sozialpolitik<br />

___________________________________________________________________________________________<br />

sozialen Absicherung <strong>und</strong> betrieblicher<br />

Weiterbildung gefördert.<br />

Das Lohnniveau ermöglicht die Teilhabe<br />

breiter Schichten am Komfort <strong>und</strong> den<br />

Annehmlichkeiten des Massenkonsums.<br />

Schon bald gehören ein Auto, „Schöner<br />

Wohnen“, die Mode <strong>und</strong> andere Statussymbole,<br />

Tourismus <strong>und</strong> Freizeitvergnügungen<br />

allerlei Art zum allgemein üblichen<br />

Lebensstandard. Und nicht nur „Neckermann<br />

macht‘s möglich“! Die Trennung von<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Nichtarbeitszeit - erst dann<br />

entsteht Freizeit im modernen Sinn - die<br />

Ökonomisierung <strong>und</strong> Monetarisierung der<br />

Lebensbereiche, das Schwinden der traditionellen<br />

Haus- <strong>und</strong> Subsistenzwirtschaft<br />

<strong>und</strong> überhaupt die „Verbürgerlichung der<br />

Arbeiterklasse“ (Castel 2000a: 313), schreitet<br />

voran. Die materiellen Ansprüche <strong>und</strong><br />

Sicherheitsbedürfnisse der Menschen, ihre<br />

Biographien <strong>und</strong> Zukunftspläne, die Sozialisation<br />

ihrer Kinder, werden in immer filigranerer<br />

Weise mit den Erfordernissen der<br />

Produktion <strong>und</strong> des Marktes, mit den Interessen<br />

der Unternehmen verknüpft. Ständig<br />

sich steigernde Produktion <strong>und</strong> Produktivität,<br />

Kaufkraft, Werbung, Waren- <strong>und</strong> Geldzirkulation<br />

halten die Wirtschaft in Schwung<br />

<strong>und</strong> mit der Globalsteuerung einer keynesianischen<br />

Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftspolitik,<br />

einer kompensierenden Arbeitsförderungs-,<br />

Bildungs- <strong>und</strong> Sozialpolitik konnte der Staat,<br />

zunächst jedenfalls, diese Entwicklung<br />

auch über die kritischen Phasen von Konjunktureinbrüchen<br />

<strong>und</strong> Strukturumbrüchen<br />

hinweg immer wieder ins Lot bringen.<br />

Zugleich blieb Spielraum <strong>für</strong> Reformbestrebungen,<br />

die über den Kernbereich einer<br />

unmittelbar produktionsorientierten Sozialpolitik<br />

hinausgriffen.<br />

18<br />

<strong>iso</strong>-Mitteilungen Nr. 3/August 2004<br />

Die Falltüren nach unten öffnen sich<br />

Seit Ende der 70er Jahre ist es allerdings mit<br />

dem „kurzen Traum immerwährender Prosperität“<br />

(Lutz 1984) vorbei. Die Arbeitslosigkeit<br />

<strong>und</strong> vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit<br />

begannen sich auf einem steigenden<br />

Sockel zu verfestigen. Und mit ihr die Armut,<br />

die bei aller Fluktuation dennoch aus<br />

einem harten Kern besteht. Ich habe hier<br />

nicht den Platz, auf die vielfältigen Erscheinungsformen<br />

von Armut <strong>und</strong> Ausgrenzung,<br />

einzugehen wie sie gerade vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

eines allgemein relativ hohen<br />

Wohlstandsniveaus typisch sind. Ich will an<br />

dieser Stelle lediglich auf ein Phänomen<br />

verweisen, das gerade unter den Vorzeichen<br />

einer vom „negativen Individualismus<br />

angenagten Gesellschaft“ (Castel 2000a:<br />

413) offenbar an Bedeutung gewinnt: die<br />

Rückkehr der „Überflüssigen“, der „Entbehrlichen“,<br />

der „Verlorenen der Arbeitsgesellschaft“<br />

oder wie die Menschen auch<br />

genannt werden, die von zentralen Austauschmechanismen<br />

der Gesellschaft mittlerweile<br />

abgekoppelt sind oder sich auch<br />

selbst ausgeklinkt haben.<br />

So kritikwürdig diese Begrifflichkeiten<br />

sein mögen, etwa weil sie ein vorrangig<br />

gesellschaftliches Problem personifizieren,<br />

so machen sie doch darauf aufmerksam,<br />

dass sich, zusätzlich zur Oben-Unten-Differenzierung,<br />

zum Teil auch diese verschärfend,<br />

eine gesellschaftliche Spaltung im<br />

Sinne von Drinnen <strong>und</strong> Draußen abzeichnet.<br />

Sie bezeichnen ein Negativum <strong>und</strong> sie<br />

verweisen auf Menschen, die aus zentralen<br />

Austauschbeziehungen der Gesellschaft<br />

ausgeschlossen sind, weil es <strong>für</strong> sie „keinen<br />

Bedarf“ <strong>und</strong> „keinen Platz“ gibt. Sie sind da<br />

<strong>und</strong> sie sind ein Problem, weil sie den anderen<br />

zur Last fallen <strong>und</strong> ihnen lästig wer-

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