iso-NEWS - Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft eV
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Manfred Geiger: Ausgrenzung <strong>und</strong> Integration – historische Wendepunkte in der Sozialpolitik<br />
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ziehungsweise zu aktivierenden Kohäsions<strong>und</strong><br />
Inklusionskräfte, in die Reformüberlegungen<br />
einbezogen werden; wenn es<br />
gelingt, die gesellschaftlichen Austauschbeziehungen<br />
so zu organisieren, dass mehr<br />
<strong>und</strong> vor allem auch Menschen, die, gemessen<br />
an den augenblicklichen Selektionskriterien<br />
der Wirtschaft als „nicht marktfähig“<br />
gelten, einen anerkannten Platz in<br />
der Gesellschaft finden.<br />
Eine solche Wirkung ist von den aktuell<br />
propagierten Politikkonzepten - Stichwort<br />
„neoliberale Deregulierung“ - wohl kaum<br />
zu erwarten. Die Zeit <strong>für</strong> eine gr<strong>und</strong>legende<br />
Trendwende im sozialpolitischen Diskurs,<br />
mit der sich die Phantasie auf einen neuen,<br />
mit anderen Parametern agierenden<br />
Sozialstaat konzentriert, <strong>und</strong> nicht nur auf<br />
die Frage, wie weitgehend der Sozialstaat<br />
zurückgenommen werden kann, wird wohl<br />
erst reif sein, wenn, wie bei der sozialen<br />
Frage am Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, die<br />
Kohäsion der Gesellschaft insgesamt in<br />
Gefahr scheint; wenn auf breiter Ebene<br />
deutlich wird, dass die Ausgrenzungsdynamik<br />
nicht nur den gesellschaftlichen<br />
Rand tangiert, sondern sich, wie ein<br />
„W<strong>und</strong>brand“ 3 , sehr schnell ausbreiten<br />
kann <strong>und</strong> so letztlich die sozialen Gr<strong>und</strong>lagen<br />
der Demokratie unterminiert.<br />
20<br />
▪<br />
Manfred Geiger<br />
e-mail: geiger@<strong>iso</strong>-institut.de<br />
3 Dieses Bild gebraucht Abbé Messonier, als der<br />
Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts deutlich machen wollte,<br />
dass der „W<strong>und</strong>brand des Pauperismus“<br />
schließlich die ganze Gesellschaft infizieren könnte<br />
(zit. nach Castel 2000a: 385).<br />
<strong>iso</strong>-Mitteilungen Nr. 3/August 2004<br />
LITERATUR:<br />
Ayaß, W. (1995): „Asoziale“ im Nationalsozialismus,<br />
Stuttgart.<br />
Bude, H. (1998): Die Überflüssigen als transversale<br />
Kategorie, in: Berger; Vester (1998): Alte Ungleichheiten<br />
- neue Spaltungen, Opladen: 363-<br />
382.<br />
Castel, R. (2000a): Die Metamorphosen der<br />
sozialen Frage. Eine Chronik der Lohnarbeit,<br />
Konstanz.<br />
Castel, R. (2000b): Die Fallstricke des Exklusionsbegriffs,<br />
in: Mittelweg 36, 9(2000)3: 11-25.<br />
Dießenbacher, H. (1986a): Zur äußeren <strong>und</strong><br />
inneren Kolonialisierung fremder Lebenswelten,<br />
in: Müller, S.; Otto, H -U. (1986): Verstehen oder<br />
kolonisieren? 2. Aufl., Bielefeld: 207-226.<br />
Kronauer, M. (1997): „Soziale Ausgrenzung“ <strong>und</strong><br />
„Underclass“: Über neue Formen der gesellschaftlichen<br />
Spaltung, in: Leviathan 25(1997)1:<br />
28-49.<br />
Kronauer, M. (2000): Plädoyer <strong>für</strong> einen Exklusionsbegriff<br />
ohne Fallstricke, in: Mittelweg 36,<br />
9(2000)6: 79-84.<br />
Kronauer, M. (2002): Exklusion. Die Gefährdung<br />
des Sozialen im hoch entwickelten Kapitalismus,<br />
Frankfurt a.M.<br />
Lutz, B. (1984): Der kurze Traum immerwährender<br />
Prosperität, Frankfurt a. M.<br />
Pankoke, E.; Sachße, C. (1992): Armutsdiskurs<br />
<strong>und</strong> Wohlfahrtsforschung. Zum deutschen Weg<br />
in die industrielle Moderne, in: Leibfried, S.; Voges,<br />
W. (Hg.) (1992a): Armut im modernen<br />
Wohlfahrtsstaat. Kölner Zeitschrift <strong>für</strong> Soziologie<br />
<strong>und</strong> Sozialpsychologie. Sonderheft 32: 149-173.<br />
Sachße, C.; Tennstedt, F.: (1980): Geschichte<br />
der Armen<strong>für</strong>sorge in Deutschland. Vom Spätmittelalter<br />
bis zum 1. Weltkrieg, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz.<br />
Schroer, M. (2001): Die im Dunkeln sieht man<br />
doch, in: Mittelweg 36, 9(2000)5: 33-47.<br />
Simmel, G. (1983): Soziologie. 6. Aufl., Berlin.