iso-NEWS - Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft eV
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Hans Günter Grewer: Vom Nutzen der ‚old economy’ <strong>für</strong> die Regional- <strong>und</strong> Strukturpolitik<br />
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zurückgegangen <strong>und</strong> der Anteil der Angestellten<br />
hat sich um 14% (auf 49%) erhöht<br />
(AK-Bericht 2003: 34, 37). In der Folge sinkt<br />
der Industriebesatz von 146 (1980) auf 97<br />
(2002) <strong>und</strong> der Dienstleistungsbesatz verzeichnet<br />
einen Anstieg von 141 auf 202<br />
(IHK Saarland 2004).<br />
Industrie bleibt bedeutsam <strong>für</strong> die<br />
deutsche Wirtschaft<br />
Trotz dieser statistisch schwerlich zu widerlegenden<br />
Trends scheint es aber an der<br />
Zeit, die These vom sich abzeichnenden<br />
„Ende der Industrie“ zu hinterfragen. Die<br />
obigen Ausführungen zum Maschinenbau<br />
als einem herausgehobenen Teilsegment<br />
belegen u.a. die ökonomische Regenerationsfähigkeit<br />
<strong>und</strong> die unentdeckten wirtschafts-<br />
<strong>und</strong> beschäftigungspolitischen<br />
Potentiale, die eine vielfach totgesagte<br />
industrielle Produktionsweise gerade einem<br />
stark technologieorientierten Land bietet.<br />
Sie sollen im Folgenden als Hintergr<strong>und</strong>folie<br />
dienen, um auf die wirtschaftliche Bedeutung<br />
<strong>und</strong> aus ihnen resultierenden Chancen<br />
von dynamischen saarländischen Industriebranchen<br />
(Maschinenbau, Automobilindustrie,<br />
Nahrungsmittelindustrie etc.) zu<br />
verweisen. Eine differenzierte Analyse zeigt,<br />
dass <strong>für</strong> die eigene Region <strong>und</strong> <strong>für</strong> eine<br />
mehr auf Eigenständigkeit <strong>und</strong> bessere<br />
Unterscheidbarkeit gerichtete Regional<strong>und</strong><br />
Strukturpolitik andere als die auf eine<br />
ausschließlich auf Hightech <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />
orientierte Politik potentiell erfolgreicher<br />
ist.<br />
Ein großes Manko im interregionalen<br />
Wettbewerb liegt unseres Erachtens darin,<br />
dass bei der Fokussierung auf qualifizierte<br />
<strong>und</strong> wissensintensive Dienstleistungen fast<br />
überall die gleichen Konzepte verfolgt<br />
werden <strong>und</strong> dass in gleichlaufenden Wellen<br />
man an jedem Ort auf dieselben Spitzentechnologien<br />
setzt. Waren es ab Mitte<br />
der 80er bis Ende der 90er Jahre noch die<br />
IuK-Technologien, so sind es seitdem die<br />
Bio- <strong>und</strong> Nanotechnologien bzw. Medizintechniken.<br />
Das ist einerseits notwendig <strong>und</strong><br />
muss nicht falsch sein, wenn man im Strukturwandel<br />
bestehen will. Das Problem ist<br />
nur, dass man am Beginn des Lebenszyklus<br />
einer Spitzentechnologie nicht weiß, ob sie<br />
genügend realisierbare Geschäftsideen<br />
gebiert <strong>und</strong> ihre Bewährungsprobe am<br />
Markt besteht. Entscheidend <strong>für</strong> einen gelungenen<br />
Wandel ist auch, ob ein Land<br />
genügend ‚kritische Masse’ innerhalb seiner<br />
eigenen Wirtschaftsstruktur hat, um zur<br />
Stabilisierung der notwendigen Nachfrage<br />
nach solchen Spitzen-Angeboten beizutragen.<br />
So sprechen bspw. etliche Erfahrungen<br />
da<strong>für</strong>, dass ein so genannte ‚takeoff’<br />
am ehesten dort funktioniert, wo bereits<br />
ein dichtes <strong>und</strong> komplexes Dienstleistungs-<br />
<strong>und</strong> Produktionsumfeld existiert. 14<br />
Mit der generellen Wertschätzung von<br />
Dienstleistungen verhält es sich nicht viel<br />
anders. Man übersieht gerne deren Schattenseiten<br />
<strong>und</strong> wie voraussetzungsvoll sie<br />
sind, wenn es sich um qualifizierte Dienstleistungen<br />
handeln soll (Bosch/Wagner<br />
2003; Grewer/Reindl 2003). Vor allem wird<br />
gerne übersehen, dass die größte <strong>und</strong><br />
äußerst notleidende Dienstleistungsbranche<br />
- der Einzelhandel - der letzte Wirtschaftszweig<br />
mit tayloristischen Strukturen<br />
<strong>und</strong> mit entsprechenden Arbeitsbedin-<br />
14 So belegt eine neue WSI-Studie über die Technologiepolitik<br />
in den Ländern Bayern, NRW, Sachsen,<br />
dass die dominierende Orientierung eines Technology-Push<br />
ohne Berücksichtigung der Absorptionsfähigkeit<br />
seitens der Unternehmen <strong>und</strong> ohne Reflektion<br />
der bestehenden regionalen Ungleichgewichte<br />
größtenteils zum Scheitern verurteilt ist<br />
(Ziegler 2004).<br />
<strong>iso</strong>-Mitteilungen Nr. 3/August 2004 29