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iso-NEWS - Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft eV

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Daniel Bieber: Editorial<br />

___________________________________________________________________________________________<br />

Denktraditionen beherrscht. Zu den aus<br />

unserer Sicht fragwürdigen <strong>und</strong> in der Regel<br />

nicht hinterfragten Gr<strong>und</strong>überzeugungen<br />

dieses Diskurses gehört es, dass man<br />

meint, die gesellschaftlichen Folgewirkungen<br />

bestimmter Maßnahmen beim Umbau<br />

des Sozialsystems bedürften kaum weiterer<br />

Aufmerksamkeit, zunächst <strong>und</strong> zuallererst<br />

käme es darauf an, die Handlungs- <strong>und</strong><br />

Finanzierbarkeit des Systems wieder zu<br />

gewinnen. Die damit einhergehende<br />

Selbstsicherheit über die (ökonomisch<br />

scheinbar unbegrenzte) Leidens- <strong>und</strong> Einsichtsfähigkeit<br />

der von diesen Maßnahmen<br />

Betroffenen kann, so ist derzeit bereits in<br />

Ansätzen zu beobachten, Folgen zeitigen,<br />

die darauf verweisen, dass Menschen sich<br />

nicht ohne Weiteres auf den homo oeconomicus<br />

reduzieren lassen. Auf der Ebene<br />

der objektiven Rahmenbedingungen aber<br />

entwickeln sich die Dinge so, dass das<br />

Armutsrisiko steigt, mehr Arbeitslose schneller<br />

als in der Vergangenheit auf eine Reihe<br />

gesellschaftlicher Teilhabechancen werden<br />

verzichten müssen - <strong>und</strong> die politische<br />

Öffentlichkeit ist nicht wirklich bereit zuzugeben,<br />

dass wir seit mindestens zwei<br />

Dekaden bestenfalls ein Wachstum hinbekommen,<br />

das sich auf die Zahl der angebotenen<br />

Arbeitsplätze nicht positiv niederschlägt.<br />

In idealtypischer Zuspitzung könnte man<br />

sagen: War das System der sozialen Sicherung<br />

einmal darauf gerichtet, vermittels<br />

seiner einzelnen Teilelemente den Bürgern<br />

in ihrer je spezifischen Notlage zur Seite<br />

stehen zu können, war also die funktionale<br />

Spezialisierung zum Nutzen des Bürgers<br />

immer weiter vorangetrieben worden, so<br />

scheint es heute eher darum zu gehen,<br />

den Bürger von einem Teilsegment des<br />

Systems der sozialen Sicherung in ein ande-<br />

6<br />

<strong>iso</strong>-Mitteilungen Nr. 3/August 2004<br />

res zu verweisen, weil alle über zu wenige<br />

Ressourcen verfügen. Wenn aber alle Teile<br />

des Sozialsystems <strong>für</strong> sich am Rande der<br />

Zahlungsfähigkeit operieren, dann sind sie<br />

auch zusammen nicht mehr in der Lage,<br />

ihrer Aufgabe, der Milderung von sozialen<br />

Problemen, gerecht zu werden. Wir gehen<br />

davon aus, dass die so genannte „Soziale<br />

Frage“ <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Themen<br />

Alter, Pflege, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> die<br />

Gestaltung der Sozialsysteme zukünftig<br />

verstärkt an Bedeutung gewinnen werden.<br />

Dabei wird es darauf ankommen, nicht nur<br />

die „objektiven“ Sachzwänge, sondern<br />

auch ihre subjektiven Voraussetzungen<br />

<strong>und</strong> Folgen im Auge zu behalten. Hier<br />

könnten sich verschiedene nicht-intendierte<br />

Folgewirkungen politischer Maßnahmen<br />

zeigen, die <strong>für</strong> die weitere Entwicklung<br />

dieses Landes von nicht unerheblicher<br />

Bedeutung sein dürften.<br />

Die Beiträge dieser Ausgabe der <strong>iso</strong>-<br />

Mitteilungen versuchen, auf den soeben<br />

beschriebenen Feldern relevanten Veränderungen<br />

nachzugehen.<br />

Die Verlorenen der Arbeitsgesellschaft<br />

So widmet sich der Beitrag von Manfred<br />

Geiger den Verlorenen der Arbeitsgesellschaft,<br />

indem er gr<strong>und</strong>legende Entwicklungslinien<br />

der modernen Armen- <strong>und</strong> Sozialpolitik<br />

nachzeichnet. Wichtige Stationen<br />

sind die Bettelsatzungen der Feudal<strong>und</strong><br />

Ständegesellschaft, die bürgerlichchristliche<br />

Privatwohltätigkeit des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

sowie die Einführung eines staatlich<br />

organisierten Sozialeigentums, wie es<br />

sich insbesondere in kollektivem Arbeitsrecht,<br />

Sozialversicherung <strong>und</strong> sozialer Fürsorge<br />

materialisiert. Mittlerweile steht aller-

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