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HfG Karlsruhe Jahresbericht Staatliche Hochschule für Gestaltung ...

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KW MT<br />

AR MT<br />

92 93<br />

Rektor / Rector<br />

Prof. Dr. Peter Sloterdijk<br />

Als philosophischer Gegenwartsdeuter und Rektor der <strong>HfG</strong> <strong>Karlsruhe</strong> hat sich Peter Sloterdijk<br />

wiederholt auch mit dem Prinzip »Design« auseinandergesetzt – am ausführlichsten in<br />

dem Vortrag »Das Zeug zur Macht«, aus dem im Nachfolgenden Auszüge abgedruckt sind. Studierende<br />

des Kommunikationsdesigns an der <strong>HfG</strong> haben sich unter Anleitung von Prof. Sven<br />

Voelker intensiv mit Peter Sloterdijks Thesen beschäftigt, die er anlässlich der Design-Konferenz<br />

»Communication Next« an der <strong>HfG</strong> vortrug. Eine Auswahl der dabei entstandenen Arbeiten<br />

wurde Peter Sloterdijks Text zur Seite gestellt, wodurch die wechselseitige Befruchtung<br />

von Theorie und Praxis an der <strong>HfG</strong> exemplarisch zur Darstellung gelangt. Der vollständige<br />

Text Peter Sloterdijks wird – illustriert durch weitere Arbeiten der Studierenden, kommentiert<br />

jeweils von Sven Voelker – als Band 5 der <strong>HfG</strong> Schriftenreihe »Neue Folge« im Frühjahr<br />

2010 unter dem Titel »Der Welt über die Straße helfen« im Wilhelm Fink-Verlag erscheinen.<br />

As philosophical interpreter of our times and Rector of <strong>HfG</strong> <strong>Karlsruhe</strong>, Prof. Sloterdijk has repeatedly<br />

dealt with the principle of “design” – most detailed in the lecture “Das Zeug zur<br />

Macht “ [The Means to Power], excerpts of which are documented below. Under the supervision<br />

of Prof. Sven Voelker, students in the Department of Communication Design at <strong>HfG</strong> have<br />

been intensively analyzing the theses Peter Sloterdijk presented at the design conference<br />

“Communication Next” at <strong>HfG</strong>. A selection of the works resulting from this accompany Prof.<br />

Sloterdijk’s text here. This serves as an example of how theoretical and practical work at <strong>HfG</strong><br />

enrich and stimulate each other. The complete text by Peter Sloterdijk – illustrated by further<br />

student works, all commented by Sven Voelker – will be published as Volume 5 of the <strong>HfG</strong><br />

Series of Texts, “Neue Folge” [New Issues] by Wilhem Fink-Verlag [Wilhelm Fink Publishing]<br />

in the spring of 2010.<br />

Design als Inkompetenzkompensation<br />

Der moderne Könner kann immer weniger immer besser. Was einerseits gerechter Grund sei-<br />

nes existentiellen Stolzes ist, die aufgeweckte Mobilisierung von Wollen und Können in offe-<br />

nen Horizonten, wird zugleich zum Grund einer fundamentalen und unausweichlichen De-<br />

mütigung. Die Kompetenzmasse der experimentell mobilisierten Welt im Ganzen wächst ex-<br />

ponentiell im Verhältnis zu den Lernfortschritten der einzelnen Könnensträger. Je mehr Kom-<br />

petenz der einzelne erwirbt, umso gewisser ist er Mitspieler in einem Gesamtspiel, in dem<br />

sein Kompetenzradius – so groß er sein mag – nichtig erscheinen muss. Dieses Paradox der zu-<br />

gleich steigenden und sinkenden Individualkompetenz bildet den Hintergrund, vor dem sich<br />

das System des neuzeitlichen Individualismus entwickelt. Die individualistische Zivilisation<br />

steht vor der paradoxen Aufgabe, die Fähigkeiten und Ansprüche der Einzelnen so aufzuwir-<br />

beln, dass die ambitioniert aufgestachelten kompetenten Einzelnen nicht in vernichtende De-<br />

pressionen fallen durch die unvermeidliche Entdeckung ihrer jetzt erst sichtbar werdenden<br />

unermesslichen Inkompetenz in allem Übrigen. Individualismus schafft das psychosoziale<br />

Philosophie und Ästhetik / Philosophy and Aesthetics<br />

Reizklima, das die Souveränität der Einzelnen zugleich provoziert und annulliert. Genau mit<br />

der dramatischen Entfaltung dieser Verlegenheit findet das Prinzip Design seinen Ort im System.<br />

Denn Design ist – von einem kompetenzökologischen Ansatz her gesehen – nichts anderes<br />

als die gekonnte Abwicklung des Nichtgekonnten. Es sichert die Kompetenzgrenzen<br />

der einzelnen, indem es dem Subjekt Verfahren und Gesten an die Hand gibt, im Ozean seiner<br />

Inkompetenz als Könner zu navigieren. Insofern darf man Design als Souveränitäts-Simulation<br />

definieren: Design ist, wenn man trotzdem kann.<br />

Kompetenter Umgang mit Verhältnissen und Geräten, <strong>für</strong> die man nicht recht kompetent<br />

sein kann, macht einen übergroßen Teil des modernen Berufslebens und Freizeitalltags aus.<br />

Alle technischen Systeme, die auf der Basis von höherer Feinmechanik, von Verbrennungstechnik,<br />

von Nukleartechnologie, von Elektrik und Elektronik funktionieren, sind <strong>für</strong> die<br />

durchschnittlichen Benutzer völlig undurchsichtige Größen. Nichtsdestoweniger ist unser Leben<br />

alltäglich längst in den Umgang mit solcher Technologie installiert. Die Basismaschinen<br />

der gegenwärtigen Welt, die Uhren, die Automobile, die Computer, der Gerätepark der Unterhaltungselektronik,<br />

die höheren Werkzeuge und dergleichen – sie sind allesamt <strong>für</strong> die absolute<br />

Mehrheit der Benutzer nur glitzernde Oberflächen, deren Innenwelten unmöglich zu betreten<br />

sind, es sei denn dilettantisch und zerstörerisch. Nach traditioneller Rhetorik würde<br />

man hier von Büchern mit sieben Siegeln sprechen, in zeitgenössischer Sprache heißen solche<br />

undurchdringlich komplexen Blöcke in der Umwelt der Benutzer schwarze Kästen. Infolge<br />

der technologischen Revolution ist die Lebenswelt der Individuen vollgestellt mit solchen<br />

Gerätschaften, die zu zauberanalogen telepathischen Operationen ermächtigen – wie Fernhören,<br />

Fernsehen, Fernsprechen, Fernsteuern, Fernlesen – allesamt Leistungen, die sich auf<br />

dem Benutzer abgewandte apparatinnerliche Prozesse stützen. Design kommt unweigerlich<br />

überall ins Spiel, wo der schwarze Kasten dem Benutzer eine Kontaktseite zuwenden muss,<br />

KW MT<br />

AR MT<br />

Publikationen /<br />

Publications<br />

Du mußt dein Leben<br />

ändern. Über Anthropotechnik<br />

Suhrkamp Verlag, 2009<br />

Publikationen über das<br />

Werk Peter Sloterdijks /<br />

Publications on the<br />

works of Peter Sloterdijk<br />

Die Vermessung<br />

des Ungeheuren.<br />

Philosophie nach<br />

Peter Sloterdijk<br />

Marc Jongen / Sjoerd<br />

van Tuinen / Koenraad<br />

Hemelsoet (Hg. / Ed.)<br />

Wilhelm Fink Verlag,<br />

2009<br />

Preise / Prizes<br />

BDA-Preis <strong>für</strong><br />

Architekturkritik 2009 /<br />

2009 German Association<br />

of Architects (BDA)<br />

Award for Architectural<br />

Criticism<br />

█ Bambusbetriebenes<br />

Automobil / Bamboodriven<br />

automobile<br />

Daniel Baek, Andrés<br />

Andrade<br />

(Geschwindigkeit:<br />

maximal 7cm pro Tag /<br />

Maximum speed per day:<br />

7cm)

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